AVB Schutzbriefversicherung § 16
Leitsatz
Die medizinische Notwendigkeit eines Rücktransports setzt im Gegensatz zur medizinischen Sinnhaftigkeit und Vertretbarkeit voraus, dass feststeht, die Behandlung werde im Ausland gar nicht oder nicht kunstgerecht durchgeführt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Köln, Urt. v. 2.12.2012 – 23 O 216/11
Sachverhalt
Die Parteien, zwei Versicherungsunternehmen, streiten über die Aufteilung der Kosten eines im Jahre 2007 durchgeführten Rücktransportes von Frau T, welche sowohl bei der Kl. als auch der Bekl. eine Versicherung unterhielt. Frau T war im Rahmen einer Schutzbriefversicherung bei der Kl. und im Rahmen einer Krankheitskostenversicherung nach dem Ergänzungstarif AM7 bei der Bekl. versichert. § 16 der Versicherungsbedingungen der Kl. lautet:
"Es ist eine Erkrankung oder eine Verletzung im Ausland eingetreten. Ist ein Rücktransport zu einem Krankenhaus an ihrem Wohnsitz in Deutschland oder zu einem anderen geeigneten Krankenhaus in Deutschland nach Abstimmung des A-Arztes mit dem behandelnden Arzt medizinisch sinnvoll und vertretbar, so wird der Transport vom A-Arzt angeordnet."
Nach den Tarifbedingungen der Bekl. sind die Mehrkosten einer ärztlich angeordneten Rückführung aus dem Ausland dann erstattungsfähig, wenn die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist.
Frau T befand sich im Februar 2007 auf einer Kreuzfahrt. Am 1.3.2007 wurde sie wegen Atembeschwerden im S-Hospital in Bahrain stationär aufgenommen. Am Folgetag kam es bei der Anlage eines zentralen Venenkatheters durch eine Verletzung der obersten Lungenanteile mit der Nadelspitze zu einem Pneumothorax, so dass die rechte Lunge über eine Saugdrainage entfaltet werden musste. Wegen zunehmender Atemnot wurde Frau T dann ab dem 5.3.2007 auf die Intensivstation verlegt. Dort musste sie künstlich beatmet werden. Zwei Versuche des Klinikums in Bahrain die Patientin zu extubieren, schlugen fehl. Am 17.3.2007 ordnete die Vertragsärztin der Kl. den liegenden Rücktranstransport per Sonderflug mit Begleitung durch Arzt und Sanitäter an. Dieser wurde am 20.3.2007 durchgeführt. Die Patientin wurde in das Klinikum L gebracht. Dort gelang es bereits am 21.3.2007 sie zu extubieren. Am 23.3.2007 konnte sie von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt werden und am 2.4.2007 wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen. Die Kl. erstattete anschließend die Kosten des Rücktransportes. Mit Schreiben vom 14.6.2007 forderte sie die Bekl. zur Zahlung von 20.689,43EUR – der Hälfte der angefallenen Kosten – auf. Die Bekl. lehnte dies ab.
2 Aus den Gründen:
" … Die Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch aus § 59 Abs. 1, 2 VVG a.F. Gem. § 59 Abs. 1 VVG a.F. haften mehrere VR als Gesamtschuldner, wenn ein VN bei ihnen ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert hat und die Summe der Entschädigung, die von jedem VR ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wäre, den Gesamtschaden übersteigt. Im Innenverhältnis sind sie zueinander nach § 59 Abs. 2 VVG a.F. zu Anteilen nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, die sie dem VN nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen haben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Bekl. zur Übernahme der Kosten des Rücktransports nicht verpflichtet war.
Gem. der dem Versicherungsvertrag der Bekl. zugrunde liegenden Tarifbedingungen sind die Mehrkosten einer ärztlich angeordneten Rückführung aus dem Ausland nur dann erstattungsfähig, wenn die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist. Eine Behandlungsmaßnahme ist grds. dann medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen (BGH, NJW 79, 1250). Nach Ansicht der Kammer muss für die Frage der medizinischen Notwendigkeit eines Rücktransports feststehen, dass die Behandlung im Ausland nicht kunstgerecht durchgeführt wurde oder gar nicht durchgeführt werden konnte. Nur so kann klar definiert werden, ob ein Rücktransport medizinisch notwendig oder nur medizinisch sinnvoll war. Denn ließe man ausreichen, dass eine Behandlung im gewohnten, heimischen Umfeld besser durchgeführt werden könnte, wäre letztlich jeder Rücktransport medizinisch notwendig. Denn gewisse Sprachbarrieren und Vorbehalte werden bei einer Behandlung im Ausland regelmäßig bestehen. Damit wäre eine Auslandskrankenversicherung, wie sie die Kl. anbietet, im Ergebnis überflüssig, da zwischen einem medizinisch notwendigen und einem medizinisch sinnvollen Rücktransport kein Unterschied mehr bestünde.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Rücktransport medizinisch notwendig war. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Behandlung in Bahrain kunstgerecht durchgeführt wurde und keine schweren Behandlungsfehler erkennen lasse. Zwar könnten die erfolglosen Extubationsversuche i.V.m. der Sprachbarriere durchaus zu einer Erschütterung des Arzt-Patienten-Verhältnisses geführt haben, dies ...