Man wird jetzt sicherlich überrascht sein, welche umfangreichen Möglichkeiten das italienische Schadensrecht für die Geltendmachung der Ansprüche naher Angehörigen vorsieht.

Die unterschiedliche Regelung zur deutschen Rechtsordnung ist zweifelsfrei auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen, zumal nach italienischem Verständnis, wenn ein naher Angehöriger Opfer eines Verkehrsunfalls wird und somit ein Hinterbliebener des wohl Wertvollsten überhaupt beraubt wird, überhaupt nichts Verwerfliches an der Tatsache gefunden wird, dass Ansprüche an den Schädiger gestellt werden.

In Deutschland ist dies anders und zweifelsfrei hat man für die Problematik ein ganz anderes Verständnis, und zwar dass es quasi etwas Anrüchiges an sich habe, wenn man aus dem Ableben eines Angehörigen womöglich einen finanziellen Nutzen zieht.

Ich bin der vollen Überzeugung, dass diese Einstellung allemal zu respektieren ist, zumal sie zweifelsfrei auf ethischen Prinzipien fußt und somit ihre Berechtigung hat.

Weniger akzeptabel erscheinen mir aber die Beweggründe, welche hierzulande gegen eine Aufhebung der Beschränkungen angeführt werden, und zwar dass womöglich Missbrauch entstehen könnte oder aber dass dies eine zu große Belastung für die Versicherungswirtschaft darstellen würde.

Es stellt sich nun die Frage, ob auch in Deutschland umfangreichere Rechtsgrundlagen geschaffen werden sollten, damit nahe Angehörige von Unfallopfern immaterielle Schadensersatzansprüche bei Unfällen mit Todesfolge bzw. bei der Betreuung eines Schwerbehinderten stellen können oder nicht.

Es ist mir ein Bedürfnis darauf hinzuweisen, dass ich die Traditionen und Kulturen anderer Länder respektiere und deshalb liegt mir nichts ferner als jemanden vorzuschreiben, was zu tun sei.

Allerdings sind, wie eben angeführt, meiner Auffassung nach die Argumente, die hierzulande ins Feld geführt werden, um die Möglichkeiten immaterieller Ansprüche von Angehörigen von Unfallopfern nicht zu erweitern, nicht sonderlich überzeugend.

I. Belastung der Versicherungswirtschaft

Einmal wird angeführt, dass dies für die Versicherungswirtschaft eine zu große Belastung mit sich bringen würde.

Nachdem es in Deutschland meinen Informationen zu Folge pro Jahr etwa 4.000 Verkehrstote zu beklagen gibt (wobei der eine oder andere den Unfall auch selbst verschuldet haben dürfte), so dürfte es sich in Summe doch um überschaubare Beträge handeln.

Natürlicherweise hat es auch in Italien immer wieder solche Diskussionen gegeben, jedoch hat man dann in der Praxis quasi eine Umverteilung zulasten der Entschädigungssummen, die bei Sachschäden gezahlt werden, und zugunsten der Entgelte für die Personenschäden vorgenommen. Einerseits wurde das Prinzip der Schadensminderungspflicht, die laut italienischem ZGB allemal anzuwenden ist, verschärft und andererseits hat man dadurch, dass nicht alle indirekten Schäden unbedingt automatisch erstattungspflichtig sind, das Problem allemal in den Griff bekommen. Das italienische Schadensrecht hat sich nämlich dahingehend entwickelt, dass vor allem bei schlimmen Verletzungen oder wenn Angehörige mit tragischen Konsequenzen durch das Ableben eines nahen Familienangehörigen aus einem Verkehrsunfall zu rechnen haben, die Opfer in angemessener Weise entsprechend entschädigt werden. Damit aber die Belastungen für die Versicherungswirtschaft nicht allzu hoch sind, verfährt man in der Praxis so, dass vor allem bei Sachschäden nicht unbedingt jeder indirekte Schaden wie Wertminderung, Nutzungsausfall, Gutachterkosten usw. vorbehaltlos entschädigt wird, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Dies bedeutet, dass es sich für die Versicherungsgesellschaften um ein Nullsummenspiel gehandelt hat: Die Beträge, die man an Opfer schwerer Unfälle und an deren Angehörige ausbezahlt, werden an anderer Stelle wieder eingespart, und zwar bei Posten, bei denen die Verletzung des entsprechenden Rechtsgutes für nicht ganz so schwerwiegend erachtet wird – bei Sachschäden und im Besonderen bei deren indirekten bzw. Folgekosten.

Somit könnte man auch in Deutschland aus Solidarität mit den Opfern und den Angehörigen von schweren Unfallschäden auf einen Teil der hohen Tagessätze für Nutzungsausfallentschädigungen (die allemal zu den höchsten in Europa zählen) verzichten. Auch sollten in Deutschland die Mietwagenkosten nur dann erstattungspflichtig sein, wenn man den Nachweis erbringt, dass man bei der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit unbedingt auf ein Fahrzeug angewiesen ist bzw. schlecht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen kann, um seine Arbeitstelle zu erreichen. Weiters müsste bei Sachschäden von 2.000 bis 3.000 EUR die Beibringung eines (meist relativ teuren) Gutachtens nicht unbedingt erforderlich und eine Schadensregulierung auch bei bloßer Einreichung eines Kostenvoranschlages bzw. einer Reparaturrechnung möglich sein. Die Versicherungswirtschaft würde somit insgesamt nicht unnötigerweise mit gigantischen jährlichen Gutachterkosten belastet. Auch sollte meiner Überzeugung nach eine Wertminderung nicht unbedingt bei jeder m...

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