Die Mediation ist in aller Munde. Wie vieles schwappt auch diese Welle aus den USA herüber. Da dort auf 100.000 Einwohner nur 6 Richter – in Deutschland sind es 26 – kommen, hat sie schon deshalb einen anderen Stellenwert. Da an die ohnehin nicht besonders üppig ausgestalteten Justizhaushalte die Axt des Sparzwangs angelegt wird, liegt es nahe, dass auch in unserem Justizsystem die Mediation salonfähig – wenn nicht gar verpflichtend – gemacht wird.

Juristen haben mit der Mediation teilweise Schwierigkeiten, weil sie vom juristischen Denken geprägt sind und in der Mediation auf diese Weise argumentieren. Gerade Anwälten kann man dies nicht verübeln, sollen sie doch ihren Mandanten vor Rechtsverlust bewahren. Genau diesen Ansatz verfolgt die Mediation aber nicht, sondern will zwischen den Parteien die Störung der Beziehungsebene wieder herstellen. Dies bedeutet allerdings, dass man bereits Rechtsverlust akzeptiert, wenn man in ein Mediationsverfahren geht. Das ist auch der entscheidende Unterschied zu einem Vergleichsvertrag.

Doch wo findet im Schadensrecht die Störung der Beziehungsebene statt? Berechtigter Schadenersatz muss ersetzt und nicht berechtigter abgelehnt werden. Über rechtlich und tatsächlich fragliche oder schwierig beweisbare Ansprüche kann man sich klassisch vergleichen. Für eine Mediation ist da kein Raum. Dies gilt letztlich auch für versicherungsvertragliche Ansprüche – etwa im Rahmen von Kaskoansprüchen, der Regulierung von Gebäudeschäden oder in der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung. Allenfalls denkbar bei verfahrenem Regulierungsverhalten zwischen Sachbearbeiter und Versicherungsnehmer – beispielsweise in der Krankenversicherung – kann auch eine Störung der Beziehungsebene vorliegen, was aber mittels Durchsetzung der wechselseitig bestehenden Rechte meist auch abschließend und friedensstiftend gelöst werden kann.

Lässt sich ein Geschädigter oder ein Versicherungsnehmer dennoch auf ein Mediationsverfahren ein, kann er zusätzlich in eine üble Falle laufen. Denn hier gilt nicht das Vertraulichkeitsgebot und der Mediator ist nicht zwingend juristisch ausgebildet. Bei unklarer Darlegungs- und/oder Beweissituation können die Parteien, insbesondere die "stärkere", weil rechtlich versiertere Partei, an Informationen kommen, die sie sonst niemals erhalten würde. Scheitert das Mediationsverfahren, können diese Informationen dann im Rechtsverfahren verwendet werden. Wer sich dabei auch als Anwalt einlässt, kann leicht zum "Fachanwalt für Parteiverrat" mutieren.

Hinzu kommt, dass inzwischen viele Rechtschutzversicherer in neueren Versicherungsbedingungen ein Mediationsverfahren vorgeben, bevor sich der Versicherungsnehmer an einen Anwalt wenden kann und ein gerichtliches Verfahren bezahlt wird. Auch hier dient das Mediationsverfahren nur der Kostensenkung, vor allem weil der Rechtschutzversicherer den Mediator stellt. Aber der Rechtsverlust ist vorprogrammiert. Ein arbeitsrechtliches Kündigungsschutzverfahren muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingeleitet werden. Binnen dieser Zeit ist ein Mediationsverfahren kaum abgeschlossen. Wie soll des Weiteren ein Mediationsverfahren in einer Bußgeldangelegenheit die "Beziehungsebene" zum Staat wiederherstellen? Warum soll ein Geschädigter noch zusätzlichen Zeitverlust einer Mediation in Kauf nehmen, bevor er den Schädiger verklagen kann? Rechtschutzversicherungen mit derartigen Bedingungen bieten somit nur einen ganz eingeschränkten – billigen – "Rechtschutz".

Mediation kann ihre Berechtigung bei nicht justiziablen Streitigkeiten haben, welche aber mit Hilfe der Justiz gelöst werden sollen. Im Schadens- und Versicherungsrecht hat die Mediation aber nichts verloren.

Autor: Andreas Krämer

Andreas Krämer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt/M.

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