"… Die zulässige Berufung der Kl. ist begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der an den Bekl. aufgrund des unterhaltenen Unfallversicherungsvertrages erbrachten Versicherungsleistungen … zu."

I. Der Anspruch auf Rückzahlung erbrachter Versicherungsleistungen ist aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) begründet.

1. Der VR, der – wie hier die Kl. – seine Entschädigungsleistung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt, muss nach allgemeinen Regeln den Vollbeweis dafür erbringen, dass die Zahlung rechtsgrundlos erfolgt ist (vgl. BGH VersR 2001, 1020; VersRHdb/v. Rintelen, § 23 Rn 347 ff.). Beweiserleichterungen kommen ihm nicht zugute … Der Bereicherungsschuldner muss aber nach allgemeinen Grundsätzen im Sinne einer, nach den Umständen ggf. gesteigerten (vgl. BGH NRW-RR 2004, 556), sekundären Behauptungslast die Umstände darlegen, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen, wenn der Gläubiger – wie vorliegend die Kl. – außerhalb des von ihm zu beweisenden Geschehensablaufs steht, während der Schuldner diese Kenntnis hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH NJW 1999, 2887). Der Gläubiger muss dann nur nachweisen, dass die vom Schuldner vorgebrachten Rechtsgründe nicht bestehen, nicht aber auch, dass andere theoretisch denkbaren Rechtsgründe ausscheiden (vgl. BGH NJW 2003, 1039 …). Gemessen an diesen Anforderungen ist das LG zu Unrecht davon ausgegangen, die Kl. sei mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, habe insb. den von ihr geltend gemachten Rückforderungsanspruch nicht substantiiert dargelegt.

Die Kl. führt zur Begründung ihres Rückforderungsanspruches an, die in Rede stehenden Unfälle seien von dem Bekl. nur vorgetäuscht bzw. absichtlich herbeigeführt worden. Ist dem so, fehlt es am Merkmal der “Unfreiwilligkeit' des Ereignisses i.S.d. Ziffer 1.3 der dem geschlossenen Unfallversicherungsvertrag zugrunde liegenden AL-AUB 2002 und damit an einem Versicherungsfall …. Zwar wird die Unfreiwilligkeit des (Unfall-)Ereignisses zugunsten des VN zunächst vermutet. Dem VR ist es aber unbenommen, diese Vermutung im Wege des Indizienbeweises zu widerlegen. Das Gericht kann dabei im Wege freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) Erfahrungssätze und Hilfstatsachen verwerten und so zu der Überzeugung gelangen, die Vermutung der Unfreiwilligkeit sei widerlegt bzw. der Unfall vorsätzlich herbeigeführt. Dies erfordert – wie stets – nur ein solches Maß an Gewissheit, dass sie “restlichen Zweifeln Schweigen gebietet': für die richterliche Überzeugungsbildung ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von persönlicher Gewissheit erforderlich und ausreichend; es braucht keine mathematische Sicherheit vorzuliegen, die jeden möglichen Zweifel und jede denkbare Möglichkeit des Gegenteils ausschließt …

Vorliegend ist der Senat davon überzeugt, dass die in Rede stehenden, vermeintlichen Unfälle v. 11.2.2003, 6.7.2004, 20.2.2005, 8.5.2005, 24.7.2005 und 22.1.2006 von dem Bekl. vorgetäuscht bzw. vorsätzlich herbeigeführt worden sind. Dies ergibt sich aus Folgendem:

1.1 Mit Urt. v. 17.2.2009 hat das AG I den Bekl. rechtskräftig wegen gewerbsmäßigen Betruges in 22 Fällen, wovon es in 7 Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Verurteilung liegt ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte zu Grunde, dass der Bekl. in der Zeit v. 19.2.2003 bis 8.6.2007, also in dem auch vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum, bei (mindestens) elf verschiedenen VR zeitgleich private Unfallversicherungen unterhielt und durch vorgetäuschte oder mutwillig herbeigeführte Krankheitsfälle die Zahlung von Krankentagegeld von insgesamt 15.493,00 EUR erreichte. Gegenstand des v.g. Strafverfahrens waren unter anderem sämtliche der auch vorliegend in Rede stehenden vermeintlichen Unfälle. Ausweislich der Anklageschrift der StA M v. 19.11.2007 und der Feststellungen im Urt. des AG I v. 17.2.2009, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, hat der Bekl. diese Unfälle, wie sogleich auszuführen sein wird, auch gegenüber anderen Unfallversicherern angemeldet (wird ausgeführt).

1.5 Die hier in Rede stehenden vermeintlichen Unfälle zeichnen sich zudem dadurch aus, dass es sich durchweg um Bagatellereignisse ohne objektiven medizinischen Nachweis handelt. Zwar ist der Bekl. jeweils auf ärztlichen Rat stationär aufgenommen worden. Auffällig ist aber, dass Folge des Unfalls stets und ausschließlich eine Gehirnerschütterung war bzw. gewesen sein soll und insoweit objektivierbare medizinische Diagnosen fehlen. Es wurde zwar ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen jeweils die Diagnose “Gehirnerschütterung' gestellt. Die Diagnosen beruhten jedoch, was der Bekl. im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 13.5.2011 nicht in Abrede gestellt hat, jeweils auf dem von ihm geschilderten Unfallhergang und den von ihm angegebenen – nicht objektivierbaren – Sympt...

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