Im Unterschied zum "gestellten Verkehrsunfall", bei dem beide Unfallbeteiligte am Versicherungsbetrug beteiligt sind, nutzt bei einem provozierten Verkehrsunfall der angeblich Geschädigte eine aus seiner Sicht "günstige Verkehrssituation" aus, um aus der Unachtsamkeit des anderen, ahnungslosen Verkehrsteilnehmers Profit zu schlagen. Die Täter nutzen dabei gezielt ihnen bekannte Besonderheiten der Verkehrsführung aus (z.B. Ampelschaltungen; Kreuzungen mit "rechts vor links"-Regelung; Fahrbahnverengungen oder Kreisel), um das ahnungslose Opfer (am besten allein im Auto sitzend und ohne Zeugen) zu rammen oder sich rammen zu lassen.[11]

Provozierte Unfälle sind ein besonderes Phänomen ("Nicht jeder Unfall ist Zufall").[12] Die Kollision wird von einem Verkehrsteilnehmer vorsätzlich herbeigeführt und es wird eine Unfallsituation geschaffen, bei der die Schuldfrage vermeintlich eindeutig ist. Dass zufällig ausgewählte Opfer bemerkt nichts und soll dabei stets als (eindeutiger) Unfallverursacher angesehen werden.

Beispielsweise erzwingen die Täter einen Streifschaden beim Spurwechsel im Zuge einer Fahrbahnverengung oder in einem Kreisel oder sie provozieren einen Auffahrunfall durch abruptes Abbremsen vor einer gelb/rot geschalteten Ampel oder sie rammen an einer Kreuzung mit "rechts vor links"-Regelung gezielt einen ahnungslosen Fahrzeugführer, indem sie im letzten Moment doch noch in die Kreuzung einfahren. Derartige Fälle erfüllen zugleich den Straftatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB (Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr) und werden in der Praxis häufig erst nach einer Reihe gleich ablaufender und auffälliger Unfallereignisse erfasst.[13] Da Verkehrsunfälle in Deutschland nicht zentral erfasst werden, lässt sich nur schwer prüfen, ob ein Fahrzeug oder ein Unfallbeteiligter schon häufiger in einen Unfall verwickelt war. Nur im Zusammenspiel zwischen Unfallopfer, Versicherer und Polizei ist daher eine effiziente Aufklärung dieser Fälle möglich.[14]

[11] Sog. Autobumser, vgl. www.gdv.de/versicherungsbetrug/autobumser.
[13] Z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.2014 – I-20 U 66/14, OLG Report NRW 47/2014 Anm. 5. Das OLG Hamm hat es als besonders gewichtig angesehen, dass der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Umfeld zu dem behaupteten Unfallereignis in zahlreichen Fällen, von denen allein vier das erst im April 2009 erworbene Fahrzeug betrafen, aufgrund von angeblichen Verkehrsunfällen und Kfz-Einbruchdiebstählen Versicherungsleistungen beansprucht hat.
[14] Vgl. Presseforum der Autoversicherer 2008, www.gdv.de/2008/04/versicherungsbetrug-in-der-kfz-versicherung.

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