a) Grundzüge

Ist dem Versicherungsnehmer der Nachweis einer bedingungsgemäßen Entwendung seines Fahrzeugs gelungen, entspricht es der vertragstypischen Risikoverteilung, dass auch der Versicherer vor Missbrauch seines Versicherungsnehmers geschützt werden muss; auch er befindet sich in Beweisnot. Ihm muss daher die Möglichkeit eingeräumt werden, erleichtert den Missbrauch durch einen unredlichen Versicherungsnehmer, insbesondere das Vortäuschen eines Diebstahls, darzutun und nachzuweisen. Da gegen den Versicherer aber die dem Versicherungsnehmer zukommende Glaubwürdigkeits- und Redlichkeitsvermutung streitet,[40] können hinreichende Wahrscheinlichkeit oder gar Verdachtsmomente allein nicht ausreichen. Die Erleichterung der Beweisführung ist für den Versicherer geringer als für den Versicherungsnehmer. Für den Gegenbeweis, der nicht den Beweis des Gegenteils erforderlich macht, genügt daher erst die Feststellung konkreter Tatsachen, welche die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen. Der Versicherer kann den Mindestnachweis des äußeren Bildes eines Diebstahls entkräften, indem er Indizien vorträgt und belegt, welche die Glaubwürdigkeit seiner Sachdarstellung erschüttern.[41] Für die Indizien muss der Versicherer den vollen Beweis erbringen.[42] Auf dieser Stufe werden dann auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers relevant.[43] Der Versicherer muss die Unglaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers nicht beweisen; es genügt, wenn aufgrund unstreitiger oder bewiesener Indizien ernsthafte Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit bestehen.[44] Der Tatrichter muss dabei Umstände, die Zweifel an der Vortäuschung eines Versicherungsfalls auslösen, im Zusammenhang in den Blick nehmen und würdigen, ob sie überhaupt und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Annahme einer Vortäuschung rechtfertigen. Dies gilt auch für die Würdigung solcher Tatsachen, die eine Vortäuschung nicht unmittelbar ergeben, sondern sie nur indizieren.[45] Auch hier sei nochmals betont: Die Einzelwürdigung jedes der Indizien und die Auflistung sich daraus ergebender Zweifel an der Darstellung des Versicherungsnehmers reichen für sich genommen nicht aus, eine erhebliche Vortäuschungswahrscheinlichkeit festzustellen. Vielmehr muss der Tatrichter die Zweifel auslösenden Umstände im Zusammenhang mit Blick darauf würdigen, ob sie überhaupt und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls nahelegen. Das gilt – wie gesagt – auch für die Würdigung solcher Tatsachen, die eine Vortäuschung nur indizieren.[46]

[40] Diehl, zfs 2000, 191.
[41] Senatsurt. v. 13.1.1991 – IV ZR 74/90, VersR 1991, 924; VersR 1995, 909; VersR 1999, 181; vgl. auch Jacobsen, a.a.O., Rn 58.
[42] Römer, a.a.O., 2332.
[43] Senatsurt. v. 22.9.1999 a.a.O. und vom 4.11.1998 a.a.O. unter 2.a, je m.w.N.
[44] Jacobsen, a.a.O., Rn 58; OLG Hamm VersR 1993, 694.
[45] Senatsbeschl. v. 30.1.2008 – IV ZR 18/07, VersR 2008, 776.
[46] Senatsbeschl. v. 30.1.2008, IV ZR 18/07, r+s 2008, 324; vgl. auch Terno, zfs 2009, 362, 365.

b) Typische Indizien

aa) Die Schlüsselverhältnisse

Eine besondere Rolle bei den Indizien für das Vortäuschen eines Diebstahls spielen die Schlüsselverhältnisse. Die Versicherer verlangen im Rahmen der Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers regelmäßig die Vorlage sämtlicher Originalschlüssel (E.1.3 AKB 2008). Die Schlüssel werden auf Kopier- und Gebrauchsspuren durch Sachverständige untersucht. Entgegen einer verbreiteten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hat aber der Senat entschieden, dass es nicht zum äußeren Bild eines Kfz-Diebstahls gehört, dass der Versicherungsnehmer sämtliche Originalschlüssel vorlegen oder das Fehlen eines Schlüssels plausibel erklären kann.[47] Wenn aber ein Originalschlüssel fehlt und der Versicherungsnehmer dafür keine nachvollziehbare Erklärung hat, kann dies – wenn weitere Verdachtsmomente vorliegen – für die Beurteilung bedeutsam sein, ob ein Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht ist.[48] Anders als bei zu niedriger Angabe der Anzahl der Schlüssel ist deren zu hohe Angabe in der Fahrzeugversicherung generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden. Eine Obliegenheitsverletzung kommt insoweit nicht in Betracht. Darauf wird später eingegangen.

Bisher hatten die Fahrzeugschlüssel Bedeutung vor allem bei der Frage des Gegenbeweises des Versicherers für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalls oder einer Obliegenheitsverletzung, denn das Nichtvorhandensein sämtlicher Originalschlüssel, die mögliche Anfertigung von Nachschlüsseln und das Vorliegen von Kopierspuren können Indizien für eine Vortäuschung sein. Der Fahrzeugschlüssel entwickelt sich aber immer mehr zu einem hochtechnischen Gegenstand. Neben erforderlichen Daten für das elektronische Öffnen und Schließen und ggf. für die Kommunikation mit einer eingebauten Wegfahrsperre werden Daten über die individuelle...

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