OWiG § 10; StPO § 267 Abs. 1 S. 3

Leitsatz

1. Ohne Angaben zur Höhe des Toleranzwertes kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht beurteilen, ob der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tatbegehung jedenfalls angesichts des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht ergangen ist und die vom Tatrichter verhängten Rechtsfolgen zutreffend festgesetzt worden sind.

2. Die in das Messfoto eingeblendeten Daten sind kein Bestandteil der “Abbildung’ i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.1.2016 – IV-3 RBs 132/15

Sachverhalt

Das AG hat gegen den Betroffenen wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft eine Geldbuße von 400 EUR sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten Dauer verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen “betrug die gefahrene Geschwindigkeit unter Abzug eines Toleranzabzuges 106 km/h.’ Die Messung erfolgte mittels eines Messgerätes Einseitensensor ES 3.0 des Herstellers ESO GmbH. Nach den Urteilsfeststellungen handelte der Betroffene vorsätzlich, “da er erkennen musste, dass er unter Berücksichtigung der Tageszeit und der Fahrbahnverhältnisse die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als einhundert Prozent überschritten hat. Es handelt sich bei der Straße an der Messstelle um eine in Fahrtrichtung Wuppertal vierspurig geführte Straße, wobei eine der Fahrspuren breiter als 3,50 m ist. Das ergibt sich zudem daraus, dass der Betroffene nach der Messung zu der Messstelle zurückgekehrt ist, um die tatsächlich von ihm erreichte Geschwindigkeit zu erfahren.’

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das OLG Düsseldorf das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

"Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 56 km/h nicht."

Zwar teilt der Amtsrichter das angewandte Messverfahren mit, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Es fehlen jedoch vollständige Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug. Dem Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass überhaupt ein Toleranzabzug vorgenommen worden ist. Angaben zu dessen Höhe fehlen dagegen. Dem Senat ist es somit nicht möglich zu überprüfen, ob mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind. Ohne entsprechende Angaben zur Höhe des Toleranzwertes kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht beurteilen, ob der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tatbegehung jedenfalls angesichts des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht ergangen ist und die vom Tatrichter verhängten Rechtsfolgen – insb. das zweimonatige Fahrverbort – zutreffend festgesetzt worden sind. Die Ausführungen des AG zur Tageszeit, zum Ausbauzustand der befahrenen Straße und zu der Rückkehr des Betroffenen zur Messstelle lassen für sich genommen den Schluss auf vorsätzliche Tatbegehung nicht zu.

Die Kenntnis von der Höhe des Toleranzabzuges kann das Rechtsbeschwerdegericht sich nicht durch die Inaugenscheinnahme des von dem AG gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommenen Messfotos verschaffen: Die in das Messfoto eingeblendeten Daten sind kein Bestandteil der “Abbildung’ i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO. Eine Abbildung ist eine unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergabe der Außenwelt. Dazu gehören Fotos, insb. auch Radarfotos. Messprotokolle sind hingegen Urkunden. Um Abbildungen handelt es sich selbst dann nicht, wenn die Daten auf einem Messfoto eingeblendet sind (OLG Hamm NStZ-RR 2009, 151, juris).“

Mitgeteilt von RA Karl-H. Lauterbach, Solingen

3 Anmerkung:

Mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf gehe ich insofern nicht ganz konform, als leider nicht erkennbar ist, ob das AG das Messgerät namentlich mitgeteilt hat. Denn wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist – so die Rspr. anderer OLG – die Angabe des konkreten Toleranzabzugs gerade nicht erforderlich: Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des BGH, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt (so zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15, juris; OLG Bamberg DAR 2012, 154).

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 4/2016, S. 229

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