"II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch – jedoch nur zum Rechtsfolgenausspruch – einen zumindest vorläufigen Erfolg."

1. Soweit die Verfahrensrüge erhoben ist und mit der Sachrüge die Voraussetzungen für die Anordnung des selbstständigen Verfalls in Zweifel gezogen werden, ist die Rechtsbeschwerde aus den Gründen der Stellungnahme der GStA v. 14.6.2013, auf die insoweit Bezug genommen wird, unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG.

Die Voraussetzungen für die Anordnung des selbstständigen Verfalls (§ 29a Abs. 2, Abs. 4 OWiG) sind gegeben: Es liegt zunächst eine mit Geldbuße bedrohte Handlung vor (§§ 24 StVG, 69 a Abs. 3 Nr. 2, 32 Abs. 2 StVZO). Die Anordnung des Verfalls gegenüber der Betr. ist auch berechtigt, weil der Transport für die Verfallsbeteiligte durchgeführt worden ist. Sodann ist es rechtlich zutreffend, dass das AG auf der Grundlage des Bruttoprinzips das Entgelt, das die Verfallsbeteiligte für den Transport vereinnahmt hat, als erlangt i.S.d. § 29a Abs. 2 OWiG angesehen hat (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.8.2011 – 322 SsBs 175/11, Rn 5 ff.; juris). Das AG hat auch in zutreffender Weise klargestellt, dass es sich bei der Anordnung des selbstständigen Verfalls um eine Ermessensentscheidung handelt und welche Erwägungen in diese eingestellt wurden (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 8.2.2013 – Ss (OWi) 18/13 und v. 18.3.2013 – Ss (OWi) 65/13; jeweils nicht veröffentlicht).

2. Allerdings reichen die vom AG getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Schätzung eines Transportentgeltes i.H.v. 1.361,44 EUR und folglich auch die Höhe des durch Ermessen davon reduzierten Verfallsbetrages i.H.v. 900 EUR in nachvollziehbarer Weise zu belegen.

Zur Verfahrensvereinfachung räumt § 29a Abs. 3 OWiG dem Tatrichter allerdings ausdrücklich die Möglichkeit ein, den dem Verfall unterliegenden Betrag zu schätzen. Dabei ist unter Schätzung zu verstehen, dass sich der Richter unter Befreiung vom Strengbeweis nach § 244 StPO, ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, mit einer vermutlichen Wertannahme begnügen kann (vgl. Fischer, StGB 60. Aufl., Rn 5 zu § 73b). Geschätzt werden dürfen dabei der Umfang des Erlangten sowie der Wert des erlangten Gegenstandes (vgl. Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl., Rn 47 zu § 29a).

Das AG beruft sich im vorliegenden Fall zum Beleg seiner Schätzung auf Angaben einer Mitarbeiterin der Verwaltungsbehörde, die (Zitat:) “im Rahmen der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar erläutert habe, wie sie den vorgenannten Betrag errechnet und dabei die Besonderheiten des Güterverkehrs berücksichtigt und eher niedrige Werte angenommen und keine Umsatzsteuer berücksichtigt habe’ und führt dazu weiter aus, dass die “Berechnung des Frachtgutes auf der Grundlage der Kostensätze Gütertransport Straße (KGS) bei fehlenden Angaben des Betr. nicht zu beanstanden sei.’

Daran bestehen aber schon deshalb Zweifel, weil vor einer Schätzung alle Beweismittel, die ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten zu erlangen sind, genutzt werden müssen (Schmidt in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Rn 3 zu § 73b), eine verfrühte Schätzung also unzulässig ist (KK-Mitsch, a.a.O., Rn 47 zu § 29a OWiG). Dem Senat ist aus einer Vielzahl anderer gleichgearteter Verfahren (bspw. 1 Ss (OWi) 110/13 = 8 OWi 913 Js 37979/12 AG Braunschweig) insoweit bekannt, dass die Frachtrechnungen unproblematisch beschafft werden können, insb. durch eine Anfrage bei der Auftraggeberin der Fahrten.

Hinzu kommt Folgendes: Auch wenn das AG nur die Transportstrecke innerhalb Deutschlands im Transportgewichtsbereich ab 17,2 Tonnen seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, genügt dies angesichts dessen, dass Einzelheiten immer so weit geklärt werden müssen, bis eine hinreichende Schätzgrundlage gegeben ist (BGHR StGB zu § 73b – Schätzung 1), für die erforderliche Feststellung des Verfallsbetrags nicht. Denn in der gerichtlichen Entscheidung müssen die tragenden Grundlagen zur Schätzung der Höhe des Vermögensvorteils mindestens so weit nachvollziehbar angegeben werden, dass für das Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit der Nachprüfung besteht (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., Rn 27 zu § 29a sowie Rn 45 zu § 17).

Eine solche Überprüfung ermöglichen die Urteilsfeststellungen nicht. Bei den Kostensätzen Gütertransport Straße (Volker Wilken, KGS Ausgabe 2013, Verkehrsverlag Fischer) handelt es sich um tabellarisch aufgeführte durchschnittliche Kostenansätze für den Gütertransport auf der Straße auf einer allgemeinen Basis, bei der keinerlei Berücksichtigung spezifischer regionaler, teilmarktbedingter oder einsatzbedingter Situationen stattfindet und insb. auftragsabhängige Kosten und besondere Kosten, die im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr entstehen können, nicht berücksichtigt sind. Die Tabelle III weist dabei Kostenstrukturen und -verläufe auf, bei denen der Frachtführer die Durchführung des Transports ganz wesentlich steuern und beeinflussen kann (wie vor: Ziel und Grundlagen der unverbindlich...

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