" … Im Ergebnis zutreffend hat das LG die Klage abgewiesen. Mangels übergangsfähiger materiell-rechtlicher Ansprüche ihres Versicherten gegen die Bekl. kann die Kl. keinen erfolgreichen Regress nehmen."

Auch der hilfsweise geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch steht der Kl. nicht zu.

Dem Bekl. zu 2. kommt die Haftungsprivilegierung gem. § 106 Abs. 3 SGB VII zugute. Es greifen die sich aus §§ 104, 105 SGB VII ergebenden Haftungsbeschränkungen (u.a. Haftung nur für eine vorsätzlich Verursachung des Versicherungsfalls) für Unternehmer (§ 104) sowie andere im Betrieb tätige Personen (§ 105). Voraussetzung dafür ist, dass Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer “gemeinsamen Betriebsstätte‘ verrichten.

Nach gefestigter Rspr. des BGH (BGH, VI ZR 483/12, Urt. v. 23.9.2014, juris, Rn 18 m.w.N.) erfasst der Begriff der “gemeinsamen Betriebsstätte‘ betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist aber ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen. Eine “gemeinsame Betriebsstätte‘ ist nach allgemeinem Verständnis mehr als “dieselbe Betriebsstätte‘; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solche in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als “gemeinsame‘ Betriebsstätte rechtfertigt. Der Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist (nur) im Hinblick auf die zwischen den Tätigenden verschiedener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft gerechtfertigt. Eine Gefahrengemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der (in enger Berührung mit anderen) Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden kann. Der Haftungsausschluss knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigen bei konkreten Arbeitsvorgängen in der konkreten Unfallsituation gegeben ist, die die “gemeinsame Betriebsstätte‘ kennzeichnet.

Gemessen daran lag in der konkreten Unfallsituation eine “gemeinsame Betriebsstätte‘ zwischen dem Versicherten der Kl., dem Zeugen B und dem Bekl. zu 2. vor.

Bei dem – unstreitig in Absprache zwischen den Beteiligten – erfolgten Öffnen der Türen des Aufliegers durch den Zeugen B und dem Freimachen der Ladefläche handelte es sich weder um bloße Vorbereitungshandlungen des Ladevorganges noch standen diese beziehungslos neben der Tätigkeit des Bekl. zu 2.

Vielmehr handelt es sich um arbeitsteilige “Aktivitäten‘, die bewusst und gewollt bei der Beladung eines Lkw mit (tonnenschweren) Papierrollen ineinandergreifen. Dies gilt nicht nur für das Öffnen der Türen des Aufliegers – bei geschlossenen Türen wäre eine Beladung nicht möglich, alternativ hätte der Bekl. zu 2. die Türen öffnen müssen –, sondern auch für das Freimachen der Ladefläche. Denn die endgültige Beladung des Lkw vollzieht sich dergestalt – wie der Bekl. zu 2. in seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat anschaulich berichtet hat –, dass der Gabelstaplerfahrer die Papierrolle auf Schienen (sog. Joloda-Laufschienen System) ablegt, die sich auf dem Auflieger befinden. Mit Hilfe dieser Schienen schiebt dann der Lkw-Fahrer auf der Ladefläche die Rolle nach vorne bzw. an den für sie vorgesehenen Platz auf dem Auflieger und sichert die Rolle anschließend entsprechend gegen Wegrutschen. Dies stellt nach der unwidersprochenen Schilderung des Bekl. zu 2. eine generelle und übliche, arbeitsteilige Papierrollen-Beladung im Lübecker Hafen dar.

Die Tätigkeiten des Zeugen B. und des Bekl. zu 2. waren (unstreitig) zwischen ihnen abgesprochen, griffen mithin ineinander, und stellen sich deshalb als “bewusstes Miteinander‘ i.S.d. zitierten Rspr. des BGH dar.

Entgegen der Auffassung der Kl. fehlt es auch nicht an der gegenseitigen Gefahrensituation, der sog. Gefahrengemeinschaft. Im Zuge des Beladevorganges konnte nicht nur – wie in concreto geschehen – der Zeuge B Schaden nehmen. Vielmehr war auch der Bekl. zu 2. als Staplerfahrer gefährdet und hätte durch Fehler des in den Beladevorgang eingebundenen Lkw-Fahrers zu Schaden kommen können, beispielhaft dann, wenn der Zeuge B die Türen des Lkw-Anhängers nicht ordnungsgemäß nach dem Öffnen befestigt hätte, so dass diese während des Beladevorganges zugeschlagen wären. Jedenfalls vermag der Senat nicht zu erkennen, dass im Zuge der aufeinander bezogenen Lad...

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