Der Rechtsanwalt ist, was die Auswahl seines Arbeitsfeldes angeht, eigentlich in einer, nennen wir es "gezwungen komfortablen Situation". Es gibt kaum einen Kollegen, von dem ein oder anderen "Einzelkämpfer" mal abgesehen, der sich nicht im Laufe seines Arbeitslebens, schon aus wirtschaftlichen Gründen, auf ein bestimmtes Themengebiet festlegen musste und die dazu nötige Qualifikation mit dem Erwerb des Fachanwaltstitels nachweist, welcher an Pflichtfortbildung gebunden ist.

Dieses "Privileg" hat der Zivilrichter grundsätzlich nicht. Von ihm wird verlangt, sich in kürzester Zeit in jedes neue Rechtsgebiet einzuarbeiten und auf diesem kompetent Recht zu sprechen. Zwar gibt es, worauf Hirtz zu Recht hinweist,[6] keine belastbaren Zahlen dazu, dass ein Prozess vor einer Spezialkammer durchweg schneller verläuft. Nach meiner Erfahrung ist die Spezialisierung jedoch eine Möglichkeit, die zur Verkürzung eines Prozesses führen kann – und daneben auch "richtige" Urteile wahrscheinlicher werden lässt. So sind beispielsweise – nicht enumerativ – die falsche Verortung der Darlegungs- und Beweislast, die Fehlerhaftigkeit der Haftungsabwägung und die daraus folgende Unrichtigkeit der Bemessung der Haftungsquote oder aber Anwendungsmängel im Bereich des Beweises des ersten Anscheins häufige Mängel des gerichtlichen Verfahrens, die oft auf das Fehlen hinreichender Kenntnis der Materie zurückzuführen sind. Diese ständig gleichen Fehler sind nicht nur zermürbend, sondern sie verpflichten den Parteivertreter im Interesse der Mandantschaft auch dazu, die Entscheidung anzufechten, die Justiz damit weiter zu beschäftigen und das Verfahren eben auf dem Rechtsmittelwege in die Länge zu ziehen. Oder aber, es wird Beweis erhoben und damit das Verfahren verzögert, obwohl eine Beweiserhebung bei richtiger Anwendung des Anscheinsbeweises überhaupt nicht hätte erfolgen dürfen.

Ob die Spezialisierung durch die Einrichtung von Schwerpunktgerichten (vgl. § 13a GVG), eigener Abteilungen bei den Amtsgerichten oder Verkehrskammern bei den Landgerichten verbunden mit Pflichtfortbildung des Richterpersonals erreicht werden könnte, ist sicherlich diskussionswürdig. Der Gesetzgeber mag abwägen, ob nicht – unbeschadet der richterlichen Unabhängigkeit – eine Pflicht der Richter zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen einzuführen ist, soweit man nicht in den §§ 21e ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten sieht, die oben formulierte Forderung nach einer stärkeren Schwerpunktsetzung mittels entsprechender Geschäftsverteilung zu realisieren. Da die Verteilung nach allgemeinen Merkmalen zu erfolgen hat, kann sie neben räumlichen Bezirken, Eingangsdatum der Klage oder Anfangsbuchstaben von Beklagten auch nach dem Gegenstand des Prozesses und somit nach Sachgebieten erfolgen.[7]

Denkbar wäre deshalb, das Sachgebiet "Verkehrszivilrecht" bei Amtsgerichten auf wenige Einzelrichter und bei den Landgerichten auf eine bestimmte Kammer zu verteilen, die dieses Gebiet schwerpunktmäßig bearbeiten. Die Möglichkeit der Schaffung von Spezialkammern wäre auch bei den Berufungskammern möglich.

Mit der Spezialisierung einhergehen sollte dann auch eine gewisse Sensibilisierung gegenüber Problemkonstellationen. Zu nennen sei hier beispielsweise die besondere Eilbedürftigkeit in Fällen, in denen ein am Fahrzeug des Klägers entstandener Totalschaden mangels Kaskoversicherung und eigener finanzieller Mittel nicht kompensiert, ein Ersatzfahrzeug also nicht beschafft werden kann, der Geschädigte jedoch im Rahmen seiner erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit auf ein Fahrzeug angewiesen ist. Denn hier geht es nicht bloß darum, ob eine Schadenposition um den Betrag X höher oder niedriger ausfallen soll, sondern um existenzielle Folgen eines Unfalls für den Rechtssuchenden. Diese Fälle sollten erkannt und vorrangig behandelt werden.

[6] Hirtz, NJW 2014, 2532.
[7] Zöller/Lückemann, § 21e Rn 13.

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