StVG § 24a

Leitsatz

Die Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei einer Atemalkoholmessung führt zu keinem Verwertungsverbot, wenn der Grenzwert nicht nur gerade erreicht oder nur geringfügig überschritten wurde.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.10.2015 – 2 (7) SsBs 499/15 – AK 151/15

Sachverhalt

Gegen den Betr. erging ein Bußgeldbescheid wegen Führens eines Kfz mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,27 mg/l, wobei eine Geldbuße von 525 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt wurden. Auf den Einspruch des Betr. sprach ihn das AG aus Rechtsgründen frei. Das AG hat zusammengefasst folgende Feststellungen getroffen:

Der Betr. fuhr zum Polizeirevier, das er um 13:35 Uhr betrat, um eine Anzeige zu erstatten. Gegen 13:50 Uhr verließ er das Polizeirevier und rauchte eine Zigarette. Der die Anzeige aufnehmende Polizeibeamte, der anlässlich der Anzeigeerstattung Alkoholgeruch wahrgenommen hatte, bemerkte, dass der Betr. sich zu seinem Kfz begab, um damit wegzufahren. Er rief den Betr. zurück, um eine Atemalkoholmessung durchzuführen. Der Betr. begab sich dann – unbeaufsichtigt – auf die Toilette und trank dort Wasser. Anschließend wurden mit dem Messgerät Dräger Evidential 7110 um 13:57 Uhr und 13:59 Uhr Atemalkoholmessungen durchgeführt, die eine Atemalkoholkonzentration von 0,27 mg/l im Mittel erbrachten.

Das AG hält die Messung unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Bamberg (Beschl. v. 27.11.2007 – 2 Ss OWi 1489/07 – BA 45, 197) vorliegend nicht für verwertbar, da die zehnminütige Kontrollzeit nicht eingehalten worden sei. Deren Einhaltung sei unabdingbar. Nur bei Einhaltung der Kontrollzeit könne ein verwertbares Messergebnis vorliegen. Daran änderten auch die Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen, dass das Rauchen der Zigarette und das Trinken des Wassers das Ergebnis der Messung nicht verfälscht haben können, nichts. Die Zuziehung des Sachverständigen könne nicht geeignet sein, das unter Verstoß gegen die zwingende Gebrauchsanweisung erlangte Messergebnis verwertbar zu machen.

Das OLG hat auf die Rechtsbeschwerde der StA das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

" … Das gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat – jedenfalls vorläufig – Erfolg. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die festgestellte Nichteinhaltung der zehn Minuten dauernden Kontrollzeit, die dazu dient die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.2004 – 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426; Schoknecht, Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 86, S. 12), führt entgegen der Ansicht des AG nicht generell zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses (so auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.7.2010 – 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2011 – 3 (4) SsBs 803/10)."

Die Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit steht nur in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht (OLG Bamberg, a.a.O.) oder nur geringfügig – um 0,01 mg/l – überschritten wurde (OLG Karlsruhe NZV 2004, 426), einer Verwertbarkeit grds. entgegen, weil der gewonnene Messwert nur dann ohne Sicherheitsabschlag verwertbar ist, wenn die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2001 – 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358; OLG Stuttgart BA 47, 360).

Angesichts dessen, dass vorliegend der Grenzwert – worauf die Revisionsführerin zutreffend hinweist – nicht geringfügig, sondern um 8 % bzw. 0,02 mg/l überschritten wurde und die in der Kontrollzeit eingenommenen Substanzen festgestellt werden konnten, kommt eine Verwertbarkeit der Messung auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Betracht. Ob und ggf. in welcher Art und Weise das festgestellte Rauchen einer Zigarette und das Trinken von Wasser während der Kontrollzeit die Messung beeinträchtigt haben könnte und in welcher Höhe ggf. ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen ist, lässt sich mit sachverständiger Hilfe aufklären (OLG Stuttgart BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2011 – 3 (4) SsBs 803/10). Ein allgemeiner Grundsatz, dass Bedienungsfehler bei standardisierten Messverfahren – hierzu gehört auch die Verwendung eines Atemalkoholgeräts, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat (BGHSt 46, 358) – generell zu deren Unverwertbarkeit führen (so OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.2008 – 2 Ss OWi 37/08, NZV 2008, 260), existiert nicht. Vielmehr hat der Tatrichter bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler, die Zuverlässigkeit der Messung – ggf. mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen (vgl. für standardisierte Messverfahren der Geschwindigkeitsmessung, BGH, Beschl. v. 19.8.1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291 und Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277).

Hierzu wird vorliegend neben einem rechtsmedizinischen S...

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