[10] "… II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand."

[11] 1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des BG, dass hinsichtlich der zum Schadensersatzanspruch führenden Pflichtverletzung Bindungswirkung an das Haftpflichturteil und die dort getroffenen Feststellungen besteht. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut in Frage gestellt werden können (Senat VersR 2011, 203 unter II 1b … ).

[12] Danach besteht die vom Kl. verletzte Pflicht in der Begründung von Masseverbindlichkeiten, die schon im Zeitpunkt ihrer Begründung aus der Masse voraussichtlich nicht vollständig erfüllt werden konnten (§ 61 InsO). Allein hierauf ist die Verurteilung im Haftpflichtprozess gestützt. Im Deckungsprozess ist es nicht mehr möglich, eine andere schadenverursachende Pflichtverletzung des VN zugrunde zu legen als dies im Haftpflichtprozess geschehen ist (Senat VersR 2001, 1103 unter II 2b). Dabei ist allein auf die im Haftpflichtprozess festgestellten tatsächlichen Elemente der Pflichtwidrigkeit abzustellen (Senat VersR 2011, 203 Rn 13).

[13] 2. Weiter zutreffend erkennt das BG, dass hinsichtlich der Wissentlichkeit der somit maßgeblichen Pflichtverletzung keine Bindungswirkung besteht. Dieser Ausschlussgrund ist vielmehr im Deckungsprozess selbstständig zu prüfen (Senat VersR 2007, 641 unter II 2 und 3 … ).

[14] 3. Die vom BG auf dieser Grundlage getroffene Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung des Kl. beruht jedoch auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast.

[15] a) Wissentlich handelt nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat (Senat VersR 2006, 106 unter II 2b).

[16] Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der VR (Senat VersR 2001, 1103 unter II 3 … ). In diesem Rahmen muss vom VR dargelegt werden, der VN habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen.

[17] b) Von dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist das BG zwar im Grundsatz ausgegangen. Es schränkt die den VR treffende Darlegungslast jedoch unzulässig ein, indem es ausführt, der VN habe im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vorzutragen und plausibel zu machen, aus welchen Gründen es zum Verstoß gekommen sei, “bevor‘ der VR die Wissentlichkeit darzulegen und zu beweisen habe.

[18] aa) Soweit sich das BG für diese Ansicht auf Urteile anderer OLG berufen hat (OLG Köln VersR 2012, 560; VersR 1990, 193; OLG Saarbrücken zfs 2008, 219; zfs 2007, 522; OLG Frankfurt NVersZ 2000, 439; OLG Hamm VersR 2000, 482), ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass sich eine entsprechende Rechtsauffassung einem Teil der zitierten Urteile nicht entnehmen lässt.

[19] Lediglich das OLG Saarbrücken hat ausgeführt, dass ein VN schon aufgrund der bloßen Behauptung des VR, es sei Wissentlichkeit der Pflichtverletzung gegeben, plausibel machen müsse, aus welchen Gründen es zu seinem Fehlverhalten gekommen ist; anderenfalls sei vom Vorliegen dieses Umstands auszugehen (OLG Saarbrücken zfs 2008, 219 unter II 1 a (2) … ).

[20] bb) Diese Rechtsauffassung trifft jedoch nicht zu. Aus der grds. Darlegungs- und Beweislast des VR folgt vielmehr, dass dieser zunächst einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des VN zumindest hindeutet. Dabei wird der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien dann entbehrlich sein, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann, so wie dies etwa in einem vom OLG Köln entschiedenen Fall gewesen ist (Pflicht des Rechtsanwalts zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen und den Mandanten über den Verfahrensstand zu unterrichten; OLG Köln VersR 2012, 560).

[21] Jenseits der Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, ist es aber Aufgabe des beweispflichtigen VR, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dieses geschehen ist, obliegt es dem VN im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen.

[22] c) Die bisherigen Feststellungen des BG vermögen nach diesen Maßstäben die Annahme einer wissentlichen Pflichtverletzung nicht zu tragen.

[23] aa) Eine Feststellung dahingehend, dass Art und Umfang der vom Kl. ...

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