Die Bemessung des Schmerzensgeldes orientiert sich aktuell in Deutschland im Wesentlichen an Entscheidungen der Obergerichte, die in Tabellen verschiedener Autoren gesammelt werden. Diese Form der Bemessung hat ihre Schwächen (ausführlich dazu Teil A § 2 Rn 42 ff., Teil B § 1 Rn 1 ff.; auch Luckey, Tagungsband des 52. Deutschen Verkehrsgerichtstags) und das Werk will den Aufgaben, die der Große Senat für Zivilsachen 1955 der Rechtspraxis auferlegt hat, gerecht werden. Die taggenaue Berechnung – vielfach kritisiert als scheingenau – wird hier versucht. Die Bemessung soll auf zwei Stufen erfolgen und stellt vor allem die Beeinträchtigung des Geschädigten konkret in die Bezifferung ein.

Im ersten Teil des Buches wird von Schwintowski die rechtliche Grundauffassung des Autors auf den Anspruch einer taggenauen Berechnung dargelegt. Die Grundlagen hierfür zu lesen ist instruktiv, erscheint allerdings mitunter sprachlich etwas redundant und hölzern.

Der praktischen Umsetzung wird der zweite Teil des Buches mit einer Entscheidungssammlung gerecht (erfasst von Schah Sedi/Schah Sedi), da dort Beispiele aufgeführt sind, die die Bestimmung einer Summe veranschaulichen: Die Autoren nehmen anhand einer Einordnung in die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) die Bemessung des für die taggenaue Berechnung erforderlichen Grades der Schädigung an. Hierbei findet sich der notwendige Verweis auf die einzelnen Ziffern der VersMedV, die dann im Internet abgerufen werden muss. Eine entsprechende Leseprobe findet sich unter http://www.schah-sedi.de/filecenter_0908044323/Leseprobe_TeilB.pdf.

In einem dritten Teil finden sich Musterfälle und Tabellen, die die Anwendung der zweistufigen Methode vorführen.

In den Empfehlungen des AK II auf dem 52. Deutschen Verkehrsgerichtstag 2014 in Goslar wurde nach kontroverser Diskussion unter Beteiligung der Autoren aufgenommen, dass trotz der derzeitigen Rechtspraxis der Blick nicht versperrt sein sollte, andere Lösungsansätze – gemeint offenkundig die Vorschläge der Autoren – in Betracht zu ziehen. Deshalb ist es für den Beobachter der Schmerzensgeldbemessung wichtig, diese Vorschläge zu kennen und sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Auch bei der Überprüfung der Angemessenheit eines nach den Urteilen abgesicherten Betrags ist es sinnvoll, seinem Rechtsgefühl zu vertrauen und ggf. hier eine andere Betrachtungsweise zugrunde zu legen und dann auch zu den Gerichten zu tragen.

Wenn auch etwas plakativ, aber doch nachvollziehbar kritisieren die Autoren, dass die Schmerzensgelder auf den Tag umgerechnet erheblich zwischen 0,10–4,50 EUR schwanken. Setzt man sie zu den Nutzungsausfallschäden ins Verhältnis, zeigt sich, wie ungerecht die Zahlungen von den Geschädigten erlebt werden.

Ob sich die Gerichte mit einer neuen Bezifferungsmethode anfreunden werden, ist dabei allerdings offen. Vorstellbar ist aber – wir bewegen uns in dem Bereich des § 287 ZPO –, dass ähnlich wie bei den Listen Schwacke und Fraunhofer auf lange Sicht mehrere Bestimmungsmethoden nebeneinander stehen können, da sie lediglich eine Grundlage für die Schätzung des Gerichts darstellen.

Vor diesem Hintergrund soll die Neugier den interessierten Anwender treiben, sich auf diese neue Berechnungsmöglichkeit einzulassen und zu prüfen, ob in schwerwiegenden Fällen nicht eine andere Sichtweise eingenommen werden kann, um "gerechtere Ergebnisse" zu erzielen.

Autor: Gesine Reisert

RAin Gesine Reisert, FAin für Strafrecht und für Verkehrsrecht, Berlin

zfs 3/2014, S. 134

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