Gebucht worden war eine Pauschalreise für eine dreiköpfige Familie in die Vereinigten Staaten von Amerika. Die buchende Mutter beantragte vor Reiseantritt für sich selbst und für ihre Tochter neue Reisepässe bei der zuständigen Gemeinde des Wohnsitzes. Diese Pässe wurden ausgestellt und auch rechtzeitig übergeben. Jedoch meldete die Bundesdruckerei die an die Gemeinde versandten Ausweisdokumente später als abhandengekommen, weil eine entsprechende (von der Gemeinde auszustellende) Eingangsbestätigung angeblich nicht vorlag. Daher wurde Mutter und Tochter am Abreisetag der Abflug in die USA verweigert. Der Reiseveranstalter zahlte nur einen Teil des Reisepreises zurück. Die buchende Mutter (Klägerin) begehrte die Rückzahlung des gesamten Reisepreises vom Veranstalter und berief sich dabei auf eine Kündigung wegen höherer Gewalt. Gem. § 651j Abs. 1 BGB kann ein Reisevertrag sowohl vom Reiseveranstalter als auch vom Reisenden gekündigt werden, wenn die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. Der Veranstalter verliert dann nach § 651j Abs. 2 i.V.m. § 651e Abs. 3 S. 1 und 2 BGB grds. den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis (insb. für die nicht erbrachten Reiseleistungen). Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.[9] Der BGH wies dann auch die Revision der Klägerin zurück.[10] Unter höherer Gewalt wird nach ständiger Rechtsprechung ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis verstanden. Erfasst sind etwa Naturkatastrophen oder allgemeine staatlich angeordnete Reisebeschränkungen. Es handelt sich um einen besonderen Fall der Störung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, deren Ursache keiner Vertragspartei zugeordnet werden kann und die daher beiden Vertragsparteien die Möglichkeit eröffnet, sich von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen. Bei höherer Gewalt darf die Ursache nicht in der Sphäre einer der Vertragsparteien liegen. So verhielt es sich jedoch im zu entscheidenden Fall: Im Verhältnis zum Reiseveranstalter fällt die Mitführung für die Reise geeigneter Ausweispapiere in die Risikosphäre des Reisenden ohne das es darauf ankäme, aus welchen Gründen die Pässe der Reisenden nicht als ausreichend angesehen werden. Maßgeblich ist allein, dass keine allgemeine Beschränkung der Reisemöglichkeiten (wie etwa ein kurzfristig eingeführtes Visumserfordernis) vorlag, die jeden anderen Reisenden ebenso getroffen hätte.

Ob die Reisenden ihre möglichen Amtshaftungsansprüche gegenüber der verantwortlichen Behörde geltend gemacht haben, ist hier derzeit nicht bekannt.

[9] AG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2014 – 13 C 4487/14, BeckRS 2014, 121935; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.11.2015 – 5 S 9724/14, BeckRS 2015, 121577.
[10] BGH, Urt. v. 16.5.2017– X ZR 142/15 (Pressemitteilung Nr. 76/2017), BeckRS 2017, 117361 = LMK 2017, 398602 (m. Anm. Führich) = MDR 2017, 986 = NJW 2017, 2677 (m. Anm. Singbartl/Zintl) = VersR 2017, 1087.

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