ZPO § 1 Abs. 1 § 103 § 104; VVG § 86

Leitsatz

Der Geltendmachung der für die Inanspruchnahme eines Privatgutachters angefallenen Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren steht nicht entgegen, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht von der Partei selbst, sondern von einem hinter der Partei stehenden (im Streitfall: Haftpflicht-) Versicherer getragen wurden.

BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – VI ZB 8/16

Sachverhalt

Die Kl. hatte den den Bekl., einen Zahnarzt, wegen eines Behandlungsfehlers auf (weiteren) materiellen und immateriellen Schadensersatz vor dem LG Bonn in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen, das BG, das OLG Köln, hat die von der Kl. dagegen geführte Berufung kostenpflichtig zurückgewiesen. Im Berufungsverfahren hatte der Bekl. vier von seinem Berufshaftpflichtversicherer während des Berufungsverfahrens eingeholte (privat)gutachterliche Stellungnahmen vorgelegt. Ausserdem war der Privatgutachter im Termin zur Berufungsverhandlung, in der einer der vom Gericht bestellten Sachverständigen ergänzend angehört wurde, anwesend, hat Fragen gestellt und eigene Ausführungen gemacht.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Bekl. u.a. die Festsetzung der – von seinem Berufshaftpflichtversicherer getragenen – Aufwendungen für den Privatgutachter i.H.v. 8.350,73 EUR geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG Bonn hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit zurückgewiesen. Die vom Bekl. hiergegen geführte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Beschwerdegericht, das OLG Köln, dessen Entscheidung in zfs 2016, 288 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 189 (Hansens) veröffentlicht ist, im Wesentlichen ausgeführt, Kosten, die nicht der Partei selbst, sondern Dritten entstanden seien, könnten grds. nicht in dem einem Rechtsstreit nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden.

2 Aus den Gründen:

[4] "II. 1. Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Dem Bekl. kann die Festsetzung der für den Privatgutachter angefallenen Kosten nicht mit der Begründung versagt werden, die Kosten seien nicht ihm, sondern seinem Haftpflichtversicherer entstanden."

[5] a) Für Kosten, die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts verbunden sind, ist in der Rspr. des erkennenden Senats anerkannt, dass ihrer Berücksichtigung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht entgegensteht, dass sie nicht bei der Partei selbst, sondern bei ihrem Haftpflichtversicherer angefallen sind (Senatsbeschl. v. 13. 9. 2011 – RVGreport 2011, 429 (Hansens) = NJW 2011,3521 m. Anm. Winkler). Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten ist allein, dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Davon ist auszugehen, wenn die Kosten dem VN bei zweckentsprechender Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung – die Aufwendungen des VR hinweggedacht – in gleichem Umfang entstanden wären (Senat a.a.O.). Ihre Rechtfertigung findet diese Rspr. in der Erwägung, dass die Übernahme der Prozesskosten, die Teil des versicherten Risikos sind, durch den VR allein dem VN dient, nicht aber den Prozessgegner des VN von Kostenrisiken entlasten soll (vgl. OLGR Karlsruhe 2002, 230, 231; OLG München MDR 1987, 148).

[6] In Bezug auf die im Streitfall in Rede stehenden Kosten eines Privatgutachters gilt nichts anderes. Auch deren Übernahme durch den Haftpflichtversicherer dient nicht dem Zweck, den Prozessgegner des VN von Kostenrisiken zu entlasten. Wären die entsprechenden Kosten nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. hierzu nur Senatsbeschl. v. 26.2.2013, zfs 2013, 347 m. Anm. Hansens = RVGreport 2013, 236 (Hansens) m.w.N.; v. 20.12.2011, zfs 2012, 285 m. Anm. Hansens = RVGreport 2012, 229 (Hansens)), also im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens erstattungsfähig, wenn sie der VN als Partei des Rechtsstreits selbst aufgewendet hätte, so spricht nichts dafür, sie anders als vom VR übernommene Rechtsanwaltskosten zu behandeln und sie nur deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren nicht für erstattungsfähig zu halten, weil sie nicht der VN, sondern sein VR getragen hat.

[7] b) Dagegen lassen sich weder der angefochtenen Entscheidung noch der darin zur Begründung in Bezug genommenen früheren Entscheidung des Beschwerdegerichts (OLG Köln RVGreport 2012, 32 (Hansens) = JurBüro 2015, 32) überzeugende Gründe entnehmen.

[8] aa) Dass “Gläubiger und Schuldner der Kostengrundentscheidung‘ (so in der angefochtenen Entscheidung selbst) bzw. “Gläubiger und Schuldner des Kostenerstattungsanspruchs‘ (so OLG Köln RVGreport 2015, 32 (Hansens) = JurBüro 2015, 32, 33) nach der Regelung der §§ 91 ff. ZPO nur die Parteien des Rechtsstreits, nicht aber Dritte sein können, steht der Annahme, dass grds. auch die vom Haftpflichtversicherer für den VN als Partei des Rechtsstreits getragenen Prozesskosten im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sein können, schon im Ansatz nicht entgegen. Denn letzteres bedeutet nicht, dass der am Prozess formell nicht beteiligte VR hinsichtlic...

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