Wird eine Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag nach § 651j BGB kündigen. Ein Ehepaar hatte im Juni 2014 für April 2015 eine Rundreise nach Marokko gebucht. Einige Monate vor Reisebeginn trat das Ehepaar wegen der gesamtpolitischen Lage zurück. Diese Lage habe sich nach Meinung des Ehepaares wegen der dramatischen und nicht vorhersehbaren Terroraktionen seit der Buchung der Reise geändert. Der Reiseveranstalter berechnete daraufhin eine Stornogebühr in Höhe der bereits geleisteten Anzahlung von 20 % des Reisepreises. Das Ehepaar klagte auf Rückzahlung der Anzahlung, weil bei einer Kündigung wegen höherer Gewalt gemäß § 651j BGB keine Stornogebühr zu zahlen ist. Dazu entschied das AG München,[8] dass die allgemein bekannte Terrorgefahr in den Ländern des sog. "arabischen Frühlings" in der Regel keinen Reiserücktritt wegen höherer Gewalt rechtfertigt. Die erhöhte Gefahr terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund besteht in sämtlichen nordafrikanischen Ländern bereits seit Jahren, insbesondere seit der zunehmenden Destabilisierung Libyens. Die Problematik war also schon lange vor der Buchung bekannt. Von höherer Gewalt ist das allgemeine Lebensrisiko abzugrenzen, das heißt allgemeine politische Krisen, die schon seit längerem bestehen und die die Durchführung der konkreten Reise nicht verhindern. Eine konkrete Gefahr von unmittelbar bevorstehenden bürgerkriegsähnlichen oder speziell den Tourismus gefährdenden Zuständen verneinte das Gericht. Zwar hat sich die Sicherheitslage insbesondere durch den "IS"-Terrorismus verschlechtert, jedoch gilt dies nicht nur für Marokko, sondern auch für eine ganze Reihe anderer Länder, auch für Europa.[9]

[8] AG München, Urt. v. 12.8.2015 – 231 C 9637/15 (Pressemitteilung v. 20.11.2015), Redaktion beck-aktuell, becklink 2001727.
[9] Hingegen wird bei Reisewarnungen des Auswärtigen Amts ein Kündigungsrecht – auch des Veranstalters – überwiegend bejaht, LG Frankfurt a.M., Urt. v. 1.4.2015 – 2-24 S 150/14, BeckRS 2015, 14818 = RRa 2015, 225; vgl. dazu auch Flöthmann, Reiserecht für Individualreisende, 2006, S. 32 ff. m.w.N. (Kündigung wegen höherer Gewalt – Reisen in Zeiten des Terrors).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge