Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des Menschenwürdeschutzes darstellt (BVerfGE 107, 395, 409; BVerfGE 63, 332, 337; BGHZ 118, 312, 321) bezweckt, dem Betroffenem in einem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit zuzuweisen, nicht nur ein Objekt der gerichtlichen Entscheidung zu sein, sondern ihm die Möglichkeit zu geben, als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfG NJW 2003, 1926). Herzstück dieser Gewährung ist es, dass der Betroffene vor Erlass einer Entscheidung die Möglichkeit hat, nach vollständiger Unterrichtung über den Streitstoff und der ihm vermittelten Erkenntnis, worauf es dem Gericht ankommt, sich zur Sache zu äußern (vgl. BVerfGE 69, 145, 148; BVerfGE 86, 133, 144 f.). Dabei genügt es nicht, dass der Betroffene sich nur äußern kann, vielmehr muss das Gericht auch sein Vorbringen zur Kenntnis nehmen (vgl. BVerfGE 70, 288, 293; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 20. Aufl. 2004, Rn 1070). Rechtliches Gehör ist vor Gerichten zu gewähren, eine Geltung gegenüber Verwaltungsbehörden und der Staatsanwaltschaft wird verneint (vgl. BVerfG 101, 397, 404; BVerfGE 46, 17, 26).

1. Verletzungen des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs liegen schon dann vor, wenn das Gericht die Partei nicht von den Angriffs- und Verteidigungsmitteln des Gegners unterrichtet, oder wenn ein Schriftsatz der Partei falsch abgelegt wird, so dass das darin enthaltene Vorbringen bei der Entscheidung des Gerichts unberücksichtigt bleibt (vgl. Prütting/Gehrlein/Thole, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 321a Rn 6 ff. unter Anführung weiterer zahlreicher Fehlerquellen; vgl. auch Oberheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess, 5. Aufl., Rn 2999).

2. Da Ziel des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs die Beteiligung des Betroffenen als Subjekt des gerichtlichen Verfahrens ist, liegt eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nur dann vor, wenn sie entscheidungserheblich gewesen sein kann. Das ist für den in § 321a ZPO geregelten Sachverhalt entwickelt worden und auf gerichtliche Verfahren zu übertragen. Damit ist zu prüfen, ob die unterbliebene Berücksichtigung des Sachvortrags der Partei, die nicht ausgewerteten Beweisanträge und auch die Rechtsausführungen möglicherweise zu einem von der Entscheidung abweichenden Ergebnis geführt hätten (vgl. BVerfG NJW-RR 2001, 1006; BVerfG NJW 1983, 383; BVerfG NJW-RR 1993, 383). Das Übergehen von Vortrag und die fehlende Auswertung von Beweisanträgen, die auf Subsumtionsfehlern beruhen, erhalten damit die Bedeutung eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

Der BGH ging in der Entscheidung von der Erheblichkeit des Vortrages des Kl. einschließlich seines Beweisantritts aus, weil bei einer Bestätigung des Vorbringens des Kl. die überhöhte Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Bekl. bei der Haftungsabwägung eine dem Kl., der das Vorrecht des § 25 StVO genoss, günstigere Quote zuzubilligen war. Für die Frage der Entscheidungserheblichkeit des nicht berücksichtigten Vorbringens der durch die Verletzung rechtlichen Gehörs Betroffenen kommt es allein darauf an, ob bei nachgeholter Berücksichtigung des Vorbringens (einschließlich einer Beweisaufnahme) ein anderer, dem Betroffenen günstigerer Ausgang des Rechtsstreits möglich war. Damit sind Schlüssigkeit bzw. Erheblichkeit des Vorbringens zu prüfen.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 2/2015, S. 88 - 89

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