VVG § 81 Abs. 2

Leitsatz

1. Zur Redlichkeitsvermutung bei einem Kraftfahrzeugdiebstahl.

2. Ungenaue oder fehlerhafte und nachträglich korrigierte Angaben eines VN zum Abstellen und Nichtwiederauffinden des Kfz berechtigen den VR nicht zu einer Leistungskürzung, wenn er vor einer Regulierung bemerkt, dass der VN falsche Angaben gemacht hat.

3. Wird ein Kfz entwendet und ergibt sich, dass der VN einer fremden Person den Aufbewahrungsort eines Wohnungsschlüssels grob fahrlässig offenbart hat, ist eine Kürzung der Entschädigung nur dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass der Wohnungsschlüssel für das Eindringen in die Wohnung, in der sich die Kraftfahrzeugschlüssel befanden, verwendet wurde.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Naumburg, Urt. v. 14.3.2013 – 4 U 47/12

Sachverhalt

Am 26.12.2009 zeigte der Kl. gegen 6:50 Uhr an, dass unbekannte Täter in sein in der F-Straße 42 in G gelegenes Haus eingedrungen seien und neben Unterhaltungselektronik, wertvollen Uhren und anderen Gegenständen auch den in der Grundstückseinfahrt parkenden Porsche sowie sein Motorrad aus der Tiefgarage des Hauses entwendet hätten.

Nach der polizeilichen Ermittlungen wurden am Tatort keine Einbruchsspuren festgestellt, weshalb die Polizeibeamten davon ausgingen, die unbekannten Täter seien mit Hilfe eines aus der nicht verschlossenen Gartenlaube des Grundstücks stammenden Ersatzhausschlüssels ins Wohnhaus eingedrungen und hätten mit den dort in der Küche in einer Schale vorgefundenen Ersatzfahrzeugschlüsseln anschließend Porsche und Motorrad entwendet. In seiner Zeugenvernehmung vom 4.1.2010 hat der Kl. seinen strafrechtlich vorbelasteten, ehemaligen Beschäftigten M K, dem er anlässlich eines Besuches von der Aufbewahrung des Ersatzschlüssels in der Gartenlaube berichtete, als möglichen Täter angegeben. Die von der Polizei geführten Ermittlungen blieben jedoch letztlich erfolglos.

2 Aus den Gründen:

" … 1. Der äußere Tatbestand eines Diebstahls ist erwiesen (a), den zu entkräften der Bekl. nicht gelungen ist (b)."

a) In der Kraftfahrzeugversicherung hat der Versicherte grds. nicht den vollen Beweis für den behaupteten Diebstahl zu führen. Nach st. Rspr. des BGH kommt dem VN vielmehr insofern eine Beweiserleichterung zugute, als nur das äußere Bild des behaupteten Diebstahls nachgewiesen werden muss. Der VN hat danach lediglich Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine bedingungsgemäß versicherte Entwendung schließen lässt (BGH, VersR 1993, 571). Zum Mindestmaß an Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Deutlichkeit erschließen lässt, gehört i.d.R. bei einem Fahrzeugdiebstahl der Beweis, dass das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nach der Rückkehr nicht mehr vorgefunden wurde. …

Die Bekl. hat die Behauptung des Kl. zum Abstellen und Nichtwiederauffinden der Fahrzeuge bestritten. Obwohl sich dieser weder für das Abstellen noch das Nichtwiederauffinden auf Zeugen berufen hat, führt dies nicht dazu, dass die Klage wegen Beweisfälligkeit abzuweisen wäre. Vielmehr ist es, wovon auch das LG zutreffend ausgegangen ist, dem VN in einer solchen Konstellation gestattet, den Nachweis des äußeren Bildes eines Diebstahls allein anhand seiner eigenen Angaben zu führen. Dies lässt sich aus der materiell-rechtlichen, dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Risikoverteilung folgern. Denn häufig ist der VN beim Abstellen oder Nichtwiederauffinden seines Fahrzeugs ohnehin allein, sodass ihm keine Zeugen hierfür zur Seite stehen werden. Eine solche Beweisnot des VN kann allerdings nicht zu einem faktischen Haftungsausschluss zugunsten des VR führen, da anderenfalls der vertraglich vereinbarte Versicherungsschutz im Ergebnis leerliefe.

Vor diesem Hintergrund hat die Rspr. die vertragliche Vermutung des redlichen VN entwickelt. Danach wird vermutet, dass der VN regelmäßig keinen Versicherungsfall, hier einen Diebstahl, vortäuscht, sondern wahrheitsgemäße Angaben hierzu macht. Allerdings kann die Redlichkeitsvermutung im Einzelfall erschüttert werden und dazu führen, dass der VN beweisfällig bleibt und deshalb die Klage abzuweisen ist. Hierbei gilt es zu beachten, dass mit der Redlichkeit oder Unredlichkeit kein allgemeines moralisches Wert- oder Unwerturteil über die Person des VN verbunden ist, sondern vielmehr die festgestellte Unredlichkeit einen spezifischen Bezug zum Versicherungsfall aufweisen und sich aus einer Gesamtschau aller für die Prüfung einer Glaubwürdigkeit des jeweiligen VN maßgeblichen Umstände ergeben muss. In diesem Zusammenhang können etwa auch unrichtige, korrigierte oder ungenaue Angaben des VN zum Versicherungsfall seine Redlichkeit infrage stellen, wobei in erster Linie Angaben zum Kerngeschehen – Abstellen und Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs – Bedeutung erlangen, allerdings, abhängig vom Einzelfall, wie bei der Würdigung jeder anderen Aussage auch, sonstige Angaben zum Randgeschehen mit einzubeziehen sind.

Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu ...

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