“… Das LG hat einen Anspruch des KI. auf (weitere) Versicherungsleistungen aus der geschlossenen BU-Versicherung mit Recht verneint, weil nach den vertraglichen Vereinbarungen Berufsunfähigkeit nicht vorliegt, wenn der VN tatsächlich eine Erwerbstätigkeit ausübt und daraus ein Einkommen i.H.v. 80 % des bisherigen Einkommens bezieht, § 2 Nr. 1b der M-Bedingungen 2002 (AVB). Unstreitig hat der KI., der nach einem Unfall im Jahr 2004 seine Berufstätigkeit als Architekt aufgeben musste und Leistungen aus der BU-Versicherung von der Bekl. erlangt hatte, im Jahr 2007 erneut eine Tätigkeit als Architekt mit einem Jahreseinkommen von mehr als 80 % des bis 2004 erzielten Jahreseinkommens aufgenommen.

Der Senat vermag den vom KI. gegen das zutreffende Urt. des LG vorgebrachten Angriffen nicht zuzustimmen. Der Kl. ist der Auffassung, dass die Bestimmung in § 2 Nr. 1b AVB unwirksam sei.

Mit Recht misst der Kl. die AVB, bei denen es sich um AGB handelt, an den dafür geltenden Gesetzesbestimmungen in §§ 305 ff BGB sowie der dazu ergangenen Rspr. Die Klausel hält aber einer Überprüfung anhand der danach anzulegenden Maßstäbe stand.

I. Eine Benachteiligung der VN kann der Bekl. entgegen der Ansicht des KI. nicht mit der Begründung vorgeworfen werden, die in § 2 Nr. 1 AVB getroffene Regelung sei unangemessen, weil die Bekl. damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben einseitig eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versuche, ohne auch deren Interessen hinreichend zu berücksichtigen. Bei richtigem Verständnis der Klausel, das sich auch einem durchschnittlichen VN erschließt, der sich ernstlich mit dem Inhalt beschäftigt, trifft dieser Vorwurf nicht zu.

§ 2 Nr. 1 AVB enthält die Beschreibung des versicherten Risikos “Berufsunfähigkeit', legt also die Anspruchsvoraussetzungen für die vereinbarte Versicherungsleistung fest. Anspruchsvoraussetzung ist danach zum einen, dass der Kl. seinen Beruf, so wie er ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, ohne zumutbare Anstrengungen (die im Einzelnen bezeichnet sind) zu 50 % nicht mehr ausüben kann, und zum anderen, dass er aus einer Erwerbstätigkeit tatsächlich kein Einkommen bezieht, das 80 % des bisher verfügbaren beruflichen Einkommens erreicht oder übersteigt.

Die weite Risikobeschreibung in Nr. 1a der Klausel, wonach es für die Berufsunfähigkeit auf die konkret ausgeübte Berufstätigkeit des VN ankommen soll, wird durch die Bestimmung in Nr. 1b begrenzt. Danach soll – sowohl der angestellte wie auch der selbstständig tätige – VN, der seine bisherige, konkret ausgeübte Berufstätigkeit zwar nicht mehr in einem bestimmten, vertraglich festgelegten Umfang ausüben kann, unter den genannten Voraussetzungen dennoch keinen Leistungsanspruch haben.

1. Der Kl. beanstandet konkret die Regelung in Nr. 1b der Klausel, deren Reichweite zweifelhaft sei. Die Reichweite der strittigen Risikobegrenzung ist indes durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln. Sie wird durch den Bezug auf das bisher verfügbare Einkommen und die Angabe einer Prozentzahl (80 %) in ausreichender Weise festgelegt. Das gilt insb. auch für den Begriff “verfügbares Einkommen', der nach Auffassung des Senats in dem hier gegebenen Zusammenhang das Nettoeinkommen betrifft. Zweifel über den Inhalt können bei einem durchschnittlichen, um Verständnis bemühten VN nicht entstehen, gerade wenn man auf das Verständnis von Nichtjuristen abstellt. Ist die Höhe des Einkommens einer Person von Interesse, ist es allgemein üblich zwischen dem Brutto- und dem Nettoeinkommen zu unterscheiden. Beide Begriffe haben – auch oder gerade – im nichtjuristischen Alltagsgebrauch eine feststehende Bedeutung: das beruflich erzielte Bruttogehalt ist der vom Arbeitgeber gezahlte Betrag, von dem Steuern und Sozialabgaben abgezogen werden, während das Nettogehalt der nach Abzug dieser Posten verbleibende Betrag ist, der also für den übrigen Bedarf zur Verfügung steht. Danach ist auch hier “verfügbares Einkommen' das um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verminderte Einkommen. Gesichtspunkte, die für ein anderweitiges Verständnis der Begrifflichkeiten sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die fragliche Klausel gleichermaßen für Versicherungsverträge mit selbstständig tätigen VN gilt, ist kein solcher Gesichtspunkt. Jeder VN, der die Begrifflichkeit kennt und weiß, dass Nettoeinkommen und verfügbares Einkommen einander inhaltlich entsprechen, wird ohne weiteres davon ausgehen, dass das verfügbare Einkommen eines selbständigen VN die dem entsprechend verminderten Einkünfte sind, die ein Selbständiger für seinen Lebensunterhalt aus seiner Tätigkeit zieht. Er wird daraus folgern, dass von diesen Einkünften die gesetzlichen Steuern sowie die Beiträge für die privaten Versicherungen, die den Sozialversicherungen entsprechen, abzuziehen sind.

Ausgehend von dieser Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen in § 2 Nr. 1 AVB lässt sich eine unangemes...

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