[13] Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kl. gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge für die Krankheitskostenversicherung in der vom AG ausgeurteilten Höhe zusteht und die weitergehende Aufrechnung des Beklagten nicht durchgreift.

[14] 1. Entgegen der Auffassung der Revision waren die von der Kl. erklärten Aufrechnungen mit offenen Prämienforderungen aus der Krankheitskostenversicherung gegen die Ansprüche des Beklagten auf Zahlung von Krankentagegeld gemäß § 394 Satz 2 BGB wirksam.

[15] a) Aus dieser Vorschrift ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer Prämienforderung des Versicherers. Zwar findet eine Aufrechnung, soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, gegen diese nicht statt (§ 394 Satz 1 BGB). Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können aber geschuldete Beiträge aufgerechnet werden (§ 394 Satz 2 BGB). Hieraus wird zu Recht geschlossen, dass der VR berechtigt ist, ausnahmsweise auch gegen eigentlich gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbare Forderungen aufzurechnen (Senat r+s 2019, 97 …).

[16] b) Anders als die Revision meint, ist eine Aufrechnung mit Prämienforderungen aus der Krankheitskostenversicherung gegen Krankentagegeldansprüche des Beklagten selbst dann nicht unzulässig, wenn es sich – wie das BG entgegen der Gehörsrüge der Revision angenommen hat – bei der Krankheitskosten- und der Krankentagegeldversicherung formal um selbstständige Verträge handelt (vgl. § 192 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 VVG), die unter einer einheitlichen Vertragsnummer geführt werden, und, wie die Revision geltend macht, in der Krankentagegeldversicherung keine Rückstände bestanden. § 394 Satz 2 BGB ist so auszulegen, dass er dem privaten Krankenversicherer auch die Aufrechnung mit Prämienforderungen aus der Krankheitskostenversicherung gegen Krankentagegeldansprüche des Versicherungsnehmers ermöglicht.

[17] aa) Dafür spricht bereits, wie das BG zutreffend hervorgehoben hat, der Wortlaut des § 394 Satz 2 BGB, der nicht auf eine bestimmte Vertragsart, sondern auf "Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen" als Institutionen abstellt. Dabei kann dahinstehen, ob ein privater Krankenversicherer als "Krankenkasse" einzuordnen ist (vgl. zu § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO: Senat, VersR 2014, 452; BGH, VersR 2007, 1435; … weitere Nachweise bei Mandler, Die Aufrechnung im System der privaten Krankenversicherung 2016 S. 260 Fn, 81) oder unter den Begriff der "Hilfskasse" zu subsumieren ist (…). Jedenfalls können nach der weiten Fassung des § 394 Satz 2 BGB gegen die aus den dort genannten Kassen "zu beziehenden Hebungen" (Leistungen zu Unterstützungszwecken, … vgl. zum Begriff Mandler a.a.O. S. 343 ff.) vom Unterstützungsberechtigten "geschuldete Beiträge" aufgerechnet werden. Das Gesetz fordert nicht, dass die zur Aufrechnung gestellte Beitragsforderung den Vertrag betrifft, aus dem der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers resultiert. Der Wortlaut des § 394 Satz 2 BGB beschränkt sich nur auf die Art der zur Aufrechnung gestellten Forderung, grenzt aber nicht nach deren Entstehungsgrund ab. Es ist daher dem Grunde nach möglich, Beitragsforderungen aus verschiedenen Versicherungsverträgen insoweit mittels Aufrechnung zu befriedigen, als sich dieselben Rechtssubjekte im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses gegenüberstehen (Mandler a.a.O. S. 346).

[18] bb) Nichts anderes ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 394 Satz 2 BGB (vgl. dazu Mandler a.a.O. S. 300 ff.). Eine Beschränkung der Aufrechnung auf ein und dieselbe Leistungsart betreffende Ansprüche hat der Gesetzgeber nicht – auch nicht später – vorgesehen.

[19] cc) Eine von der Revision befürwortete einschränkende Auslegung des § 394 Satz 2 BGB dahingehend, dass die Aufrechnung geschuldeter Beiträge nur gegen auf demselben Versicherungsvertrag beruhende und somit konnexe Leistungsansprüche zulässig sein soll, ist auch mit dem erkennbaren Regelungszweck der Vorschrift nicht vereinbar. Der Forderungsinhaber kann nach Treu und Glauben nicht damit rechnen, die betreffenden Bezüge ungeschmälert ausgezahlt zu bekommen, ohne seine Pflicht zur Entrichtung der laufenden Beiträge zu erfüllen (MüKo-BGB/Schlüter, 8. Aufl. § 394 Rn 18; …). Auch der weiter durch § 394 Satz 2 BGB bezweckte Schutz der sogenannten Globaläquivalenz, die das System des Ausgleichs der Leistungen im Sinne des Versicherungsprinzips auf kollektiver Ebene aufrecht und funktionsfähig halten soll (so Mandler a.a.O. S. 314 ff.), spricht dafür, der jeweiligen Kasse die Aufrechnung mit sämtlichen vom Berechtigten geschuldeten Beiträgen, nicht aber mit sonstigen Ansprüchen zu ermöglichen (dazu Staudinger/Gursky, BGB § 394 Rn 68 [2016]).

[20] Eine darüber hinausgehende qualifizierte Konnexität in dem Sinne, dass die zur Aufrechnung gestellte Beitragsforderung denselben Vertrag betreffen muss wie der Leistungsanspruch des Bere...

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