Die Entscheidung bedarf einiger Anmerkungen, weil das OLG Köln nicht sämtliche verfahrensgegenständliche Probleme erörtert hat.

I. Verfahrensgebühr nach dem Hauptsachewert

Soweit das OLG Köln die Notwendigkeit der vollen und der ermäßigten Verfahrensgebühr nach dem Wert der Hauptsache verneint hat, wird der Entscheidung bei dem gegebenen Sachverhalt wohl zuzustimmen sein. Der Bekl., der im Laufe des 10.10.2016 Kenntnis von der Klagerücknahme erhalten hat, hätte unverzüglich seine Versicherung hiervon unterrichten müssen, um die Erteilung eines Prozessauftrags und damit den Anfall der Verfahrensgebühr (siehe Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG) hinsichtlich der Hauptsache zu vermeiden.

II. Verfahrensgebühr nach dem Kostenwert

War somit eine Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Bekl. hinsichtlich der Hauptsache nicht (mehr) notwendig, so stellt sich allerdings die vom OLG Köln nicht erörterte Frage, ob nicht der Antrag auf Erlass der Kostenentscheidung nach Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 4 S. 1 ZPO notwendig war. Ein solchermaßen beschränkter Prozessauftrag hätte bei den Prozessbevollmächtigten des Bekl. die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nach dem Kostenwert ausgelöst.

Das OLG Köln erörtert leider mit keinem Wort, warum die festgesetzte Verfahrensgebühr nach dem Wert der Hauptsache nicht jedenfalls in Höhe einer 1,3 Verfahrensgebühr nach dem Kostenwert erstattungsfähig sein soll. Immerhin hatte das LG Aachen dem Kostenantrag stattgeben. Ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt hätte der Bekl. einen solchen Kostenantrag nicht stellen können. Außerdem war der Bekl. vom LG Aachen bereits in den Prozess einbezogen worden, nämlich durch Zustellung der Klageschrift und durch Übersendung des Klagerücknahmeschriftsatzes.

Ein Bedarf für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO wird nämlich nur dann verneint, wenn die Partei an dem Verfahren bisher nicht beteiligt gewesen ist (siehe OLG Brandenburg MDR 1999, 570 für ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung). In dem Fall des OLG Hamburg NJW-RR 2007, 791, das die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr für den Kostenantrag verneint hat, hat es sich ebenfalls um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gehandelt, das durch Rücknahme endete, bevor dem Antragsgegner die Existenz des Verfahrens überhaupt bekannt wurde. Davon unterscheidet sich der dem OLG Köln vorliegende Sachverhalt. Es ist deshalb bedauerlich, dass das OLG auf diese naheliegende Problematik nicht eingegangen ist.

III. Grundsätze der Kostenerstattung

1. Objektive Lage

Das OLG Köln hat auf die unselige Entscheidung des III. ZS des BGH (zfs 2016, 285 m. Anm. Hansens) hingewiesen, wonach nur Kosten für solche Maßnahmen notwendig und erstattungsfähig sind, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen.

2. Kennen oder Kennen-Müssen maßgeblich

Nach der ganz überwiegenden Gegenauffassung in Rspr. und Literatur ist allein auf die subjektive Sicht der erstattungsberechtigten Partei abzustellen.

Danach sind die Kosten des Bekl. oder Antragsgegners bzw. Rechtsmittelbeklagten oder Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Verfahrensgebühr auslösenden Tätigkeit bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Klage, der Antrag bzw. das Rechtsmittel bereits zurückgenommen war, so BAG RVGreport 2012, 349 (Hansens), KG JurBüro 1974, 1271 und NJW 1975, 125; OLG Hamburg JurBüro 1998, 303 und RVGreport 2013, 439 (Hansens); OLG Köln JurBüro 1991, 930 und JurBüro 1995, 641; OLG Naumburg JurBüro 2003, 419 = AGS 2003, 324 mit Anm. N. Schneider; OLG Oldenburg JurBüro 1987, 682 für die Rücknahme eines Verfügungsantrags; OLG Celle RVGreport 2010, 195 (ders.); OLG München AnwBl. 1985, 44 und RVGreport 2011, 29 (ders.) = zfs 2011, 169 mit Anm. Hansens = AGS 2011, 44 = JurBüro 2011, 90; OLG Hamm RVGreport 2013, 63 (ders.); OLG Hamburg RVGreport 2013, 439 (ders.); OLG Frankfurt JurBüro 1983, 83 und RVGreport 2015, 186 (ders.); Hansens RVGreport 2014, 95, 97).

Einige Gerichte und Autoren haben dabei ausdrücklich der Auffassung des III. ZS des BGH a.a.O. widersprochen, so etwa OLG Stuttgart RVGreport 2017, 145 (Hansens); OLG München RVGreport 2016, 425 (ders.). = zfs 2016, 646 mit Anm. Hansens = AGS 2016, 547; OLG Celle RVGreport 2017, 109 (ders.); Möller, NJW 2016, 2753; Müller-Rabe, JurBüro 2017, 3; BGH – XII. ZS – RVGreport 2017, 143 (ders.), der die vom III. ZS des BGH a.a.O. vertretene Auffassung für den Anwendungsbereich des § 80 FamFG als systemfremd und unbillig bezeichnet hat.

Zu welchen Problemen die Auffassung des III. ZS des BGH a.a.O. auch bei den vergeblich aufgewandten Reisekosten zu einem später aufgehobenen Verhandlungstermin führen kann, zeigen die Entscheidungen des LG Potsdam zfs 2017, 466 m. Anm. Hansens = RVGreport 2017, 305 (Hansens) und des BVerwG zfs 2017, 586 m. Anm. Hansens. Derzeit sind beim BGH bei verschiedenen Senaten...

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