Ist ein Prozessbevollmächtigter, der vor Gericht einen Unfallgeschädigten vertritt, auch ein "Geschädigtenvertreter"? Die richtige Antwort lautet wie häufig: Es kommt darauf an.

Immer häufiger werden Schadensersatzforderungen nicht von örtlichen Anwaltskanzleien geltend gemacht, sondern von überregionalen Kanzleien, die aufgrund der Ortsverschiedenheit zu dem Mandanten allenfalls fernmündlichen Kontakt haben können. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 20.6.2006 – VI ZB 75/05 – völlig richtig darauf hingewiesen, dass allein die Vermittlung von Geschädigten, im dortigen Fall durch eine Autovermietung, zulässig ist.

Heute sind es weitgehend die Reparaturwerkstätten, die die Vermittlung überregionaler Rechtsanwaltskanzleien übernehmen. In der fachlichen Qualität unterscheiden sich diese Kanzleien nicht wesentlich von den örtlichen Rechtsanwälten. In der Organisation, der engmaschigen Anmahnung und nach Fristablauf sofortigen Klageerhebung sind diese Büros aber ganz häufig örtlichen Anbietern überlegen. Sie verfügen über ein Kanzleimanagement, das für eine zügige Geltendmachung der Forderung sorgt. Daran haben naturgemäß Werkstätten ein hohes Interesse, weil sie ihre Forderung schneller bezahlt bekommen.

Soweit – so gut.

Ein Verstoß gegen §§ 12 BRAO liegt nach der BGH-Entscheidung jedoch vor, wenn sich weitere Anhaltspunkte ergeben, dass der Rechtsanwalt im gewollten Zusammenwirken mit der Autovermietung oder dem Autohaus tatsächlich auf deren Veranlassung und in deren Interesse und nicht in dem des Mandanten tätig wird. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Werkstatt selbst ein Ersatzfahrzeug vermietet. Wird dann der Geschädigte auf die Möglichkeit einer Abrechnung nach Nutzungsausfalltabelle hingewiesen? Ein Hinweis, für den meine Mandanten höchst dankbar sind. Wenn dann die Autohauskanzlei im Verfahren wegen der Höhe der Mietwagenkosten sich darauf beruft, dass ihr Mandant keine Kenntnis von überhöhten Preisen hat, dann doch wohl nur, weil weder das Autohaus, noch die Kanzlei den Mandanten darauf hingewiesen hat. Will aber ein Mandant unbedingt seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen, um Mietwagenkosten durchzusetzen, obwohl er bei einem anderen Mietwagenunternehmen ein gleichwertiges Fahrzeug erhalten könnte, ohne dass er einen Rechtstreit führen muss? Will der Mandant wirklich seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen, um immer wieder gleichartige Schadenspositionen einzuklagen, die die Rechnungshöhe des Autohauses oder Gutachters optimieren sollen?

Wendet der Schädiger ein, dass Leistungen des Autohauses überteuert oder nicht erbracht sind, so wird ihm vom Autohausanwalt entgegengehalten, dass aufgrund des "Werkstattrisikos" dies im Verhältnis zum Kläger rechtlich nicht relevant ist. Wenn das von immer der gleichen Kanzlei für das gleiche Autohaus vorgetragen wird muss man wohl eher annehmen, dass es allein um die Interessen des Autohauses geht.

Kann es sein, dass zur Regulierungsbeschleunigung Sachverständige aufgefordert werden, nur solche Positionen zu kalkulieren, von denen zu erwarten ist, dass der Versicherer keine Einwendungen erheben wird?

Die Vorfinanzierung von Fahrzeugschäden durch Anwaltskanzleien ist vom BGH in der Entscheidung vom 20.6.2016 AnwZ (Brfg) 26/14 untersagt worden. Dies sicher aus gutem Grund.

Wie sind Ihre Erfahrungen zu diesem Thema? Sind meine Bedenken unbegründet? Oder haben Sie ähnliche oder vergleichbare Erfahrungen gemacht?

Der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht geht es um das Interesse des Geschädigten. Mich interessiert, ob Handlungsbedarf besteht. Berichten Sie mir über ihre Erfahrungen, ich bin gespannt. Schreiben Sie gern eine E-Mail an elsner@skp-hagen.de.

Autor: Jörg Elsner

RA und Notar Jörg Elsner LL.M., Vorsitzender der ARGE Verkehrsrecht, Hagen

zfs 12/2017, S. 661

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge