Die Entscheidung hat praktische Bedeutung in allen gerichtlichen Verfahren, in denen der RA die Gerichtsakten selbst abholt oder durch einen Mitarbeiter abholen lässt. Das LG Dessau-Roßlau hat ein wesentliches Problem des Falles nicht erörtert und in der Sache im Ergebnis falsch entschieden.

I. Gegenstand der Entscheidung

Nur mit Mühe lässt sich den Beschlussgründen entnehmen, dass es hier um eine Erinnerung des Pflichtverteidigers gegen die teilweise Absetzung der Pflichtverteidigervergütung ging. Die Formulierung im Tenor der landgerichtlichen Entscheidung, nach dem "der Kostenfestsetzungsbeschluss … abgeändert" und "die der ehemaligen Angekl. zu erstattenden notwendigen Auslagen" anderweitig festgesetzt wurden, spricht dagegen für eine sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 464b StPO. Das Zitat des § 46 Abs. 1 RVG und – zur Begründung der Nebenentscheidungen – des § 56 Abs. 2 RVG lässt jedoch erkennen, dass es hier um den Anspruch des Pflichtverteidigers gegen die Staatskasse ging. Schließlich wäre ein Rechtsbehelf des Pflichtverteidigers gegen einen zugunsten der Mandantin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss im Übrigen auch unzulässig gewesen, da der Anwalt an dem Kostenfestsetzungsverfahren nicht beteiligt gewesen wäre.

II. Anfall der Fahrtkosten

Das LG Dessau-Roßlau ist ohne nähere Erörterungen davon ausgegangen, dass dem Pflichtverteidiger die nach Nr. 7003 VV RVG geltend gemachten Fahrtkosten entstanden sind. Dies ist deshalb problematisch, weil nicht der Pflichtverteidiger selbst die Akten abgeholt und zurückgebracht hat, sondern eine Angestellte der Kanzlei. Handelte es sich bei dieser Angestellten nicht um eine Rechtsanwältin, um die allgemeine Vertreterin, um eine Assessorin oder um eine zur Ausbildung zugewiesene Referendarin, so wären die für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angefallenen Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG bereits nicht entstanden.

Der RA erhält nämlich die Vergütung nach dem RVG, wozu nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 S. 1 RVG auch die Auslagen gehören, nur dann, wenn er die entsprechende Tätigkeit entweder persönlich oder durch einen in § 5 RVG aufgeführten Vertreter vornimmt. Wird demgegenüber eine andere als in § 5 RVG aufgeführte Person – etwa eine Büroangestellte – für den Anwalt tätig, so ist seit jeher in der Rspr. höchst umstritten, welche Vergütung der RA für deren Tätigkeit erhält. Die Skala reicht dabei von "Nichts" (etwa bei einer Büroangestellten – siehe LG Gießen VersR 1991, 963) bis zur Höhe der vollen Vergütung (siehe die Darstellung des Streitstandes bei AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Auflage, § 5 Rn 59 ff.), wobei diese Rspr. sich im Regelfall mit den Gebühren befasst. Wird eine Geschäftsreise also nicht von dem Anwalt selbst oder von einem in § 5 RVG aufgeführten Vertreter unternommen, so kann er hierfür nicht die Auslagen nach Nr. 7003 ff. VV RVG berechnen (siehe LG Wuppertal JurBüro 1989, 1718; LG Heilbronn AnwBl. 1995, 560).

Stattdessen kann der Anwalt die Fahrtauslagen ansetzen, die ein Zeuge aus der Staatskasse gem. § 5 JVEG erhalten würde (siehe LG Düsseldorf JurBüro 1987, 1031; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 671). Dies wären dann bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs 0,25 EUR je gefahrenen Kilometer zzgl. etwaiger Parkentgelte. Nach Auffassung von N. Schneider (AnwK-RVG, a.a.O., § 5 Rn 70) soll der Anwalt jedoch dann das – höhere – Kilometergeld nach Nr. 7003 VV RVG berechnen dürfen, wenn die Angestellte das Fahrzeug des RA benutzt hat. Dies halte ich nicht für zutreffend, weil § 5 RVG auf die tätige Person abstellt und nicht darauf, wo oder in wessem Gefährt sie tätig wird.

Als Zwischenergebnis kann somit festgestellt werden, dass dem Pflichtverteidiger hier nicht die nach Nr. 7003 VV RVG geltend gemachten Fahrtkosten i.H.v. (60 km x 0,30 EUR =) 18 EUR, sondern entsprechend § 5 JVEG Fahrtkosten nur i.H.v. (60 km X 0,25 EUR =) 15 EUR angefallen sind, die dieser nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG grds. ersetzt verlangen kann.

III. Erforderlichkeit der Fahrtkosten

Gem. § 46 Abs. 1 RVG werden dem beigeordneten oder bestellten RA Auslagen, insb. Reisekosten, dann nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Die Auffassung des LG Dessau-Roßlau, die Abholung der Akten wäre bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht erforderlich in diesem Sinne gewesen, kann ich nicht nachvollziehen. Zwar war dem Verteidiger ausweislich der Beschlussgründe bereits bei Zustellung des freisprechenden Urteils bekannt (wann die Zustellung erfolgt war, hat das LG nicht mitgeteilt), dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Nebenkläger Revision eingelegt hatten. Er hätte deshalb sicherlich jedenfalls vorsorglich für den Fall der Begründung dieser Revisionen einen Aktenübersendungsantrag stellen können. Die Geschäftsstelle hätte dann umgehend nach Eingang der Revisionsbegründungen dem Verteidiger die Akten übersenden können.

Angesichts der in § 347 Abs. 1 S. 2 S...

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