Vgl. AG München, Urt. v. 6.6.2013 – 343 C 4445/13 (zfs 2014, 149).

Seit dem Erlass des Urt. des AG München v. 6.5.2013 sind nach den vom Spiegel (Heft 34/2014 Seite 46) mitgeteilten Umsatzdaten des Marktforschungsunternehmens GfK von Juli 2013 bis Juni 2014 90.000 Autokameras, damit viermal so viele wie in den 12 Monaten zuvor, verkauft worden. Die von dem Urt. des AG München v. 6.6.2013 abweichenden Entscheidungen des AG München v. 13.8.2014 und des VG Ansbach, die sich zu einer Vorfrage der Verwertbarkeit von mit einer Autokamera gefertigten Videoaufnahmen verhält, zeigten, dass ein gefestigtes Meinungsklima für die Frage der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen im zivilen Verkehrsrechtsstreit und damit auch wohl im Straf- und Bußgeldverfahren noch nicht besteht.

1. Vorfrage der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen in den folgenden zivil- und strafrechtlichen Verfahren ist es, ob eine Beweiserhebung durch Einsatz der Dash-Cam zulässig ist, wobei dies sowohl an den Bestimmungen des BDSG als auch an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einerseits, dem Grundrecht auf rechtliches Gehör andererseits zu messen ist.

2. Ob § 6b BDSG auch bei Einsatz einer mobilen Kamera anwendbar ist, ist deshalb zweifelhaft, weil § 6b BDSG eine "Einrichtung" voraussetzt, d.h. eine zumindest auf gewisse Dauer angelegte ortsgebundene Installation des Videoüberwachungsgeräts (vgl. Klann, DAR 2013, 188, 189; Forgo/Krügel/Müllenbach, CR 2010, 616, 619). Die davon abweichende Stellungnahme des VG Ansbach, die der von Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl. 2012, § 6b Rn 13a) vertretenen Auslegung folgt, dass auch mobile Kameras erfasst werden, hat den Wortlaut der Bestimmungen gegen sich und die Erwägung, dass es einen Unterschied in der Eingriffsintensität darstellt, ob aufgrund der Ortsgebundenheit der Kamera immer der gleiche Personenkreis sich Erfassungen durch die Kamera ausgesetzt sieht oder nicht (vgl. Klann, DAR 2013, 188, 189). Schließt man die Anwendbarkeit des § 6b BDSG mit dieser Erwägung aus, ist jedenfalls in datenschutzrechtlicher Sicht nach dem Rechtsgedanken des § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG von einer zulässigen Erfassung der von den Videoaufnahmen betroffenen Personen auszugehen. Deren Interessen, nicht erfasst zu werden, überwiegen nicht offensichtlich, da ein generelles Geheimhaltungsinteresse an sozialadäquatem Verhalten nicht besteht (vgl. Klann, a.a.O.; Forgo/Krügel/Müllenbach, a.a.O.).

3. Bereits bei der Frage, ob eine unzulässige versuchte Beweiserhebung durch den Einsatz einer Dash-Cam vorliegt, deren Ergebnis für den Bedarfsfall in einem gerichtlichen Verfahren eingesetzt werden soll, ist zu prüfen, ob der darin liegende Verstoß gegen Beweiserhebungsverbote wegen damit verbundener Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht davon erfasster Personen vorliegt, und nur ausnahmsweise eine Rechtfertigung durch konkurrierende Grundrechtspositionen in Betracht kommt. Eingriffsobjekt kann bei dieser Konstellation nur das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht sein, da zwischen Privaten Grundrechte nicht unmittelbar anwendbar sind (vgl. Störmer, JuS 1994, 334, 335 f.; Balthasar, JuS 2008, 35, 39 Fn 86). Nicht zugrunde gelegt werden kann, dass das so verstandene zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht Vorrang vor etwaigen Grundrechtspositionen des die Videokamera Bedienenden genießt. Vielmehr stehen sich das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht und des Recht auf richterliches Gehör, ggf. auch das geschützte Eigentumsrecht gem. Art. 103 Abs. 1, 14 GG gleichrangig gegenüber (Balthasar, a.a.O.). Ein Rangverhältnis zwischen diesen konkurrierenden Grundrechten der Prozessparteien besteht nicht (vgl. BVerfG NJW 1991, 1471, 1473; von Münch/Kuig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 1 Rn 4).

4. Diese Erwägung ist die Grundlage dafür, dass selbst im Falle einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung ein Beweisverwertungsverbot nicht automatisch eintritt, sondern die Frage der Verwertbarkeit nach den Umständen des zu beurteilenden Sachverhalts, der Art des Verbots und der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu beurteilen ist. Das gilt für das Strafverfahrensrecht (vgl. BVerfG NJW 2011, 2783, 2784) ebenso wie für das Zivilverfahrensrecht (vgl. BVerfG NJW 2002, 3624; BGH NJW 1958, 1344).

Bei der Abwägung ist zu beachten, dass dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bei einer gerichtlichen Verwertung gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG NJW 2005, 497, 499; BGHZ 162, 1; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578) das Grundrecht des die Videoaufnahme Fertigenden aus Art. 103 Abs. 1 GG gegenübersteht, ein ohne Abwägung angenommenes Beweisverwertungsverbot einen Eingriff in diese Grundrechtsposition darstellte (vgl. BVerfGE 106, 28, 49). Dementsprechend geht eine überzeugende Ansicht davon aus, dass im vorgerichtlichen Verfahren gewonnene Beweisergebnisse im Normalfall verwendet werden dürfen, eine Abweichung hiervon besonderer Rechtfertigung bedarf (Katzenmeier, ZZP 117, 375, 377; Kiethe, MDT 2005, 965, 967). Da der aus Art. 10...

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