Zunehmend sind Rennradfahrer anzutreffen, die einerseits ungern Radwege benutzen, weil diese oftmals nicht für sportliches, schnelles Fahren ausgelegt sind, die andererseits aber gerne auf asphaltierten Wirtschaftswegen unterwegs sind, weil hier m Allgemeinen weniger Autoverkehr herrscht. Kommt dann doch mal ein Auto, kann das zu Problemen führen.

Das Landgericht Köln hatte es kürzlich mit zwei Rennradfahrern zu tun, die auf einem einspurigen asphaltierten Feldweg mit mindestens 36 km/h unterwegs waren. Der Feldweg kreuzte einen nur für Kraftfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft freigegebenen asphaltierten Weg, auf dem sich aus ihrer Sicht von rechts ein Pkw näherte. Leider war für die Rennradfahrer die Sicht nach rechts durch Maispflanzen behindert, die damals mindestens 2,2 m hoch standen. Demgegenüber hatte der Pkw-Fahrer nach rechts freie Sicht, weil das dort angrenzende Feld mit niedrig wachsenden Rüben bepflanzt war. Die beiden Radrennfahrer missachteten die Vorfahrt des Pkw-Fahrers. Es kam im Kreuzungsbereich zur Kollision, wobei beide erheblich, einer sogar tödlich verletzt wurde. Das Landgericht Köln wies die Klage des überlebenden Radfahrers ab. Es nahm ein überwiegendes Eigenverschulden an und meinte, dahinter müsse die Betriebsgefahr des Pkw zurücktreten. Das OLG wies die Berufung des Rennradfahrers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück.[64] Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.[65] Einen ähnlichen Fall hatte zuvor das Landgericht Leipzig zu entscheiden. Dort war ein Rennradfahrer auf seiner üblichen Trainingsstrecke gefahren. Er näherte sich einer ihm gut bekannten Kreuzung. Da es sich um die Schlussphase seines Trainings handelte, befuhr er die Strecke als sogenannte "Belastungsstrecke". Er konzentrierte sich auf den letzten 100 Metern vor dieser Kreuzung allein auf das Radfahren und blickte nicht mehr hoch. So übersah er, dass sich von rechts ein Mitsubishi-Geländewagen näherte, der noch bremste, aber die Kollision nicht mehr verhindern konnte. Der Rennradfahrer wurde schwer verletzt. Das Landgericht Leipzig wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht Dresden wies die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück.[66] Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hatte ebenfalls keinen Erfolg.[67]

Beiden Fällen war gemeinsam, dass die Kraftfahrzeuge jeweils verbotswidrig auf einem Weg fuhren, der nur für den Landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben war. Damit stellte sich die Frage, ob die Tatrichter diesen Umstand im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile zum Nachteil der Kraftfahrer hätten berücksichtigen müssen. Das Landgericht Leipzig, auf dessen Ausführungen das OLG Dresden Bezug genommen hatte, hatte unter Berufung auf ein Urteil des OLG Celle[68] die Auffassung vertreten, dem verbotswidrigen Befahren einer Straße könne bei einer solchen Kollision im Kreuzungsbereich im Rahmen der Abwägung nur dann Bedeutung zukommen, wenn das Verbot auch gerade der Vermeidung solcher Unfälle diene. Ähnlich hatte der BGH im Jahre 1970 in einem Fall entschieden, in dem das Befahren einer Straße nur Anliegern gestattet war. Damit sollten, so der BGH, nur die Gefahren einer Massierung des Verkehrs in dieser Straße verhindert werden. Dieser Schutzbereich sei nicht betroffen, wenn sich nur zwei Fahrzeuge auf dieser Straße befunden hätten und sich der Verstoß gegen das Verbot nicht unfallursächlich ausgewirkt hätte.[69] Daraus ergibt sich, dass sich der Schutzzweck des betreffenden Verbots nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls richtet. Der BGH sah deshalb in beiden Fällen keine rechtsgrundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Da jeweils auch keine Rechtsfehler erkennbar waren, wies er beide Nichtzulassungsbeschwerden zurück.

[64] OLG Köln, Beschl. v. 6.6.2013 – 15 U 35/13.
[65] NZB-Beschl. des BGH v. 10.12.2013 – VI ZR 312/13.
[66] OLG Dresden, Beschl. v. 8.10.2012 – 7 U 842/12.
[67] NZB-Beschl. des BGH v. 11.3.2014 – VI ZR 543/12.
[68] OLG Celle zfs 2001, 492.

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