"I. Die Bekl. hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung derjenigen Kosten, die durch die Reise ihres Prozessbevollmächtigten von L nach M und zurück entstanden sind. Ihre Veranlassung ist i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung anzusehen."

1. Die Vorgehensweise der Bekl. verstößt gegen den auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden Gebot, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig als möglich zu halten hat, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (BGH BRAGOreport 203, 202 (Hansens) = NJW 2003, 2992; BAG RVGreport 2008, 229 (ders.) = NJW 2008, 1340). Erstattbar sind Kosten deshalb nur dann, wenn sie sich aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei als erforderlich darstellen (Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn 12 m.w.N.).

2. Solches ist hinsichtlich der in Rede stehenden Kosten nicht zu bejahen.

a) Es gilt zwar der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme, § 357 Abs. 1 ZPO. Danach haben die Parteien das Recht, der Beweisaufnahme beizuwohnen. Geht es um die Tätigkeit eines Sachverständigen, obliegt es dem Gericht zu bestimmen, wann der Sachverständige den Parteien die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat, § 404a Abs. 4 ZPO.

b) Geht es aber um eine ärztliche Untersuchung des Prozessgegners durch den Sachverständigen, tritt das grds. bestehend Recht der anderen Prozesspartei, bei dessen Erhebungen anwesend zu sein, nach allgemeiner Ansicht zurück (OLG München NJW-RR 1991, 896; OLG Köln NJW 1992, 1568; OLG Hamm MedR 2004, 60; Zöller/Greger, § 357 Rn 3). Hierzu hat das OLG Köln in der vorstehend angegebenen Entscheidung ausgeführt:

“Ärztliche Untersuchungen greifen in den Intimbereich des Untersuchten ein und haben deshalb grds. in Abwesenheit dritter Personen stattzufinden. Die Achtung der Menschenwürde verbietet es, Eingriffe in die Intimsphäre zuzulassen, die weder dem erklärten Willen des Betr. entsprechen noch durch ein höherrangiges Gut gerechtfertigt sind. Die Gegenwart Dritter bei medizinischen Untersuchungen kann, namentlich wegen der damit verbundenen Offenbarung körperlicher Eigenheiten, von dem Untersuchten als Beeinträchtigung seiner menschlichen Würde empfunden werden. Die Anwesenheit dritter Personen bei einer ärztlichen Untersuchung ist daher, sofern diese nicht als ärztliche Hilfskräfte hinzugezogen werden, ohne ausdrückliche Zustimmung des Betr. nicht statthaft. Aus diesem Grund hat auch eine Partei nicht das Recht, an einer Untersuchung des Prozessgegners durch einen medizinischen Sachverständigen teilzunehmen."

c) Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Ob der Entscheidung des OLG Frankfurt (GesR 2011, 295) beizupflichten ist, wonach es in jedem Einzelfall einer Abwägung bedarf, ob das Recht einer Prozesspartei auf Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre höher anzusiedeln ist als das des Prozessgegners auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren, kann offenbleiben und bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Anders als in dem der Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde liegenden Sachverhalt geht es hier nicht um zahnärztliche Feststellungen in der Mundhöhle, sondern um eine damit in keiner Weise vergleichbare gynäkologische Untersuchung der Kl.

d) Dass ein Vertreter der Bekl. einen Anspruch darauf gehabt haben könnte, anlässlich dieser durch den Sachverständigen anwesend zu sein, ist weder ersichtlich noch ansatzweise dargetan.

aa) Ihre Argumentation, gerade weil das LG den Sachverständigen erneut mit der Untersuchung der Kl. beauftragt habe, weil es dieser anlässlich der Erstuntersuchung unterlassen hatte, sie von dem Termin zu benachrichtigen, überzeugt nicht. Zum einen ist das LG damit lediglich seiner in § 404a Abs. 4 ZPO normierten Verpflichtung nachgekommen. Zum anderen lässt sich dem keinesfalls entnehmen, dass das LG der Bekl. damit zusichern wollte, worauf deren Argumentation letztlich hinausläuft, dass Kosten der hier in Rede stehenden Art von der Kl. im Falle ihres Unterliegens in der Hauptsache zu tragen sein würden. Dies zu beurteilen ist dem Kostenfestsetzungsverfahren unter Beachtung der eingangs dargestellten Grundsätze zu § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO vorbehalten.

bb) Ebenso wenig vermag die Bekl. ihren Kostenerstattungsanspruch damit zu rechtfertigen, dass nur durch Anwesenheit eines Vertreters sicherzustellen sei, dass der Probandin vom Sachverständigen alle erforderlichen Fragen gestellt und die Antworten zutreffend protokolliert würden, ob die richtig Methodik angewandt werde und sich die apparative Untersuchungstechnik auf dem neuesten Stand befindet. Abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob letzteres vom Prozessbevollmächtigten der Bekl. überhaupt beurteilt werden konnte, bestand für diese zum Einen die Möglichkeit, den Sachverständigen über das Gericht im Vorhinein zu bitten, der Kl. bestimmte Fragen zu stellen bzw. nach Erstattung des Gutachtens, falls sie dies für nötig hielt, zu beantragen, das...

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