Die Entscheidung ist richtig, für die im Rechtsmittelverfahren in ähnlicher Situation wie hier der Revisionsanwalt der Kl. tätigen Anwälte jedoch unbefriedigend. Allerdings gibt der amtliche Leitsatz die Problematik nicht ganz richtig wieder. Es ging hier nicht um die Festsetzung des Streitwerts – der war hier durch einen anderen Beschluss bereits festgesetzt –, sondern um die gesonderte Festsetzung des für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswerts.

1. Der Streitwert im Rechtsmittelverfahren

Gem. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Vorliegend hatte die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung von weiteren 458.656,55 EUR begehrt. Damit bestimmte sich der Streitwert für die Revision der Kl. nach diesen 458.656,55 EUR. Die Bekl. hatte demgegenüber mit ihrem Klageabweisungsantrag den Antrag gestellt, die Klage auch wegen ihrer zweitinstanzlichen Verurteilung i.H.v. 169.672,13 EUR abzuweisen. Mithin müsste sich der Streitwert für das Revisionsverfahren in Addition dieser beiden Beträge auf 628.328,68 EUR belaufen. Der BGH hat in seinem Beschl. die Höhe des vom ihm anderweitig festgesetzten Streitwerts nicht mitgeteilt.

Gem. § 47 Abs. 1 S. 2 GKG ist hiervon abweichend für den Streitwert im Rechtsmittelverfahren die Beschwer maßgebend, wenn das Verfahren endet, ohne dass Rechtsmittelanträge eingereicht werden oder wenn diese nicht innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist eingereicht werden. Ein solcher Fall lag hier nicht vor, da beide Parteien innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist Revisionsanträge gestellt hatten.

Eine Ausnahme von dieser Regelung war hier nicht gegeben. Sie hätte nur dann vorgelegen, wenn der die Beschwer nicht ausschöpfende Rechtsmittelantrag der Kl. offensichtlich nicht auf Durchführung des Rechtsmittels gerichtet gewesen wäre (so BGH, Großer Senat für Zivilsachen, BGHZ 70, 365 = NJW 1978, 1263 für die Vorgängerregelung in § 14 Abs. 1 GKG). Damit soll verhindert werden, dass der Rechtsmittelführer rechtsmissbräuchlich zu Lasten der Staatskasse durch einen eingeschränkten Rechtsmittelantrag die Gerichtskosten für das Rechtsmittelverfahren verringert, obwohl er das Rechtsmittelverfahren offensichtlich nicht (mehr) durchführen will. Hier wollte die Kl. jedoch die zugelassene Revision wegen eines weiteren Zahlbetrags von 458.656,55 EUR erkennbar durchführen.

Im Übrigen war die Kl. hier nicht – wie von ihrem Revisionsanwalt geltend gemacht – in Höhe eines Betrags von 1.316.953,10 EUR beschwert. Dies entsprach ihrem Antrag in der Berufungsinstanz, dem das OLG in Höhe eines Teilbetrags von 169.672,13 EUR stattgegeben hatte. Folglich war die Kl. durch das Urt. des OLG Stuttgart nur in Höhe eines Betrags von (1.316.953,10 EUR – 169.672,13 EUR =) 1.147.281,97 EUR beschwert.

2. Besondere Festsetzung des Gegenstandswerts

Die gerichtliche Festsetzung des für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswerts kommt nur unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 RVG in Betracht. Diese Vorschrift regelt verschiedene Fallgestaltungen:

Der Rechtsanwalt hat den Mandanten nicht im gesamten gerichtlichen Verfahren vertreten hat und es ist vor seinem Eintritt zu einer Reduzierung (etwa bei einer Teil-Klagerücknahme) gekommen ist.
Die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren berechnen sich nicht nach den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert. Ein solcher Fall liegt einmal dann vor, wenn für die Anwaltsgebühren besondere Wertvorschriften bestehen, etwa nach §§ 28 Abs. 1, 31b oder § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG. Oder es bestehen zwar identische Wertvorschriften, anwaltliche und gerichtliche Tätigkeiten betreffen jedoch nicht denselben Gegenstand. Dies kann etwa gegeben sein, wenn der Anwalt nur einen von mehreren Beteiligten vertritt (siehe BGH NJW 1968, 2334 = JurBüro 1969, 45), was insb. im Erbscheinsverfahren häufig vorkommen kann (siehe BayObLG JurBüro 1992, 166).
Die Festsetzung des Gegenstandswerts kommt auch dann in Betracht, wenn es an einem Streitwert für die Gerichtsgebühren fehlt. Das ist dann der Fall, wenn das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist (siehe etwa Vorbem. 8 GKG KostVerz) oder wenn in den gerichtlichen Verfahren Festgebühren erhoben werden (so etwa im Beschwerdeverfahren nach Nr. 1810 oder 1811 GKG KostVerz.).

Keiner dieser Fälle hatte hier vorgelegen, so dass eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswerts nicht in Betracht kam.

3. Möglichkeiten des Prozessbevollmächtigten

Die auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebliche Streitwertregelung in § 47 Abs. 1 S. 1 GKG, nach der sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Rechtsmittelanträgen berechnet, wird vielfach der anwaltlichen Tätigkeit im Rechtsmittelverfahren nicht gerecht. Im Regelfall hat der Prozessbevollmächtigte entweder vor oder nach Einlegung des Rechtsmittels zu prüfen, in welchem Umfang es Aussicht auf Erfolg haben könnte. Bleiben die Rechtsmittelanträge hinter der Beschwer des Mandanten zur...

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