VVG § 22; BGB § 123 Abs. 2; B-BUZ § 1 § 2

Leitsatz

1. Gegen Arglist kann sprechen, wenn ein VN auf den Rat eines Versicherungsmaklers hin nach Aufgabe seines bestehenden Berufsunfähigkeitsschutzes bei Beantragung eines neuen Vertrags eine Pollenallergie nicht angibt.

2. Das Tragen einer Orthese ist von einem VN nur dann zu verlangen, wenn dadurch keine weiteren gesundheitlichen Gefahren begründet werden.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.6.2010 – 5 U 272/08 (Die Revision des VR wurde nach einer Hinweisverfügung des BGH v. 22.7.2011 – IV ZR 165/10 – zurückgenommen)

Sachverhalt

Der Kl. arbeitete als angestellter Zimmermann in dem Unternehmen seiner Ehefrau. Er litt seit vielen Jahren an einer Pollenallergie. Am 10.4.2004 beantragte er durch Vermittlung eines Versicherungsmaklers, des Streitgehilfen der Bekl. (S), eine BU-Versicherung; er behauptet, er habe S seine Pollenallergie mitgeteilt, dieser habe erklärt, das müsse man nicht angeben. Nach einem Motorradunfall will er berufsunfähig geworden sein.

2 Aus den Gründen:

" … Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung der versprochenen Berufsunfähigkeitsrente. … Er kann ferner die Feststellung verlangen, dass der Vertrag nicht infolge der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung unwirksam geworden ist, nicht aber die Feststellung, dass das auch für den Rücktritt gilt."

I. Der Versicherungsvertrag ist nicht gem. § 22 VVG a.F. i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB infolge der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung rückwirkend (§ 142 BGB) unwirksam geworden.

1. Der Kl. hat die Bekl. allerdings objektiv getäuscht, indem er in dem Antragsformular auf die Frage nach einem chronischen Leiden und ambulanten Heilbehandlungen nicht die Pollenallergie sowie die auf dieser beruhende, regelmäßig behandelte chronische spastische Bronchitis, an der er unstreitig litt und die ihm bekannt war, angegeben hat.

2. Der Kl. hat jedoch trotz dieser Kenntnis nicht arglistig gehandelt. Denn die Bekl. hat nicht, wie ihr obliegt, bewiesen, dass der Kl. mit dem Verschweigen dieser gefahrerheblichen Umstände willentlich und wissentlich auf ihre Vertragsabschlussbereitschaft einwirken wollte und sich dabei bewusst war, dass die Bekl. möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen würde, wenn er die Wahrheit sagen würde. …

a. Ein solches Bewusstsein und ein solcher Wille kann in aller Regel nur durch Indizien nachgewiesen werden. …

Die Pollenallergie des Kl. bestand unstreitig bereits seit Mitte der 90er Jahre, also bei Antragstellung bereits seit rund 10 Jahren. Darüber hinaus war der Kl. letztmals am 20.1.2004 und am 27.1.2004 in ärztlicher Behandlung, also lediglich rund zwei Wochen vor der erstmaligen Antragstellung. Schließlich war bei den letzten Untersuchungen – nach dem Kl.-Vortrag erstmals – über die bloße Allergie hinaus eine spastische Bronchitis festgestellt worden. Sein Krankheitsbild hatte sich also in zeitlicher Nähe zum Vertragsschluss wesentlich verschlechtert. Hinzu kommt, dass sich der Kl. nach eigenen Angaben als Zimmermann zu 80 % seiner Arbeitszeit im Freien aufhielt. Dies kann den Gedanken nahe legen, dass er fürchtete, aufgrund vermehrter und verstärkter asthmatischer Anfälle einschließlich der besonderen Gefahren, die entstehen, wenn solche bei der Arbeit auf dem Dach auftreten, beruflich beeinträchtigt zu werden.

b. Gleichwohl ist arglistiges Verhalten des Kl. nicht bewiesen. Das folgt schon daraus, dass der Kl. keinen vernünftigen Anlass hatte, die Bekl. zum Abschluss des Versicherungsvertrags zu bewegen. Denn der Kl. genoss vor Abschluss des Versicherungsvertrags mit der Bekl. – unstreitig – bei einem anderen VR Versicherungsschutz gegen Berufsunfähigkeit zu in etwa gleichen Bedingungen. Irgendein Motiv, diesen Versicherungsschutz auf der Grundlage einer Täuschung der Bekl. aufzugeben, ist nicht erkennbar (vgl. zu dieser Überlegung im Rahmen der Arglistprüfung BGH VersR 2008, 765).

Durchgreifende Zweifel folgen sodann aus der Behauptung des Kl., er habe den S über seine Pollenallergie unterrichtet, dieser habe ihm mitgeteilt, sie müsse nicht angegeben werden. Das macht es plausibel, dass er die Angabe im Antragsformular nicht unterlassen hat, um den Vertragsabschluss zu ermöglichen oder zu fördern, sondern weil er sich auf die Angaben seines Versicherungsmaklers verlassen hat. Die Bekl. hat diese Behauptung des Kl. nicht, wie es ihr im Rahmen des Arglistbeweises obliegt, widerlegt. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass der S ein entsprechendes Vertrauen des Kl. verursacht (wird ausgeführt).

Dies schließt Arglist unter den besonderen Umständen des Falls aus.

3. Allerdings handelt es sich bei dem S um einen Versicherungsmakler, dessen Unterrichtung über gefahrerhebliche Umstände durch den VN bei Aufnahme des Versicherungsantrags dem VR nicht – i.S.d. Auge-und-Ohr-Rspr. – zugerechnet wird, weil ein Versicherungsmakler nicht im Lager des VR sondern in jenem des VN steht und nicht von jenem sondern von diesem mit der Antragsaufnahme betraut ist.

Das schließt indessen n...

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