VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 3, Nr. 3104

Leitsatz

Tauschen die Prozessbevollmächtigten zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens E-Mails aus, fällt hierfür eine Terminsgebühr nicht an.

(Leitsatz des Schriftleiters)

BGH, Beschl. v. 21.10.2009 – IV ZB 27/09

Sachverhalt

Während des Rechtsstreits auf Rückzahlung eines Darlehens erörterten die Prozessbevollmächtigten der Parteien in wechselseitigen E-Mails die Modalitäten einer Streitbeilegung. Nachdem der Beklagte die vereinbarte Zahlung an den Kläger geleistet hatte, erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen. Auf Grund des nach § 91a ZPO ergangenen Kostenbeschlusses hat der Kläger – soweit hier von Interesse – die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr unter Hinweis auf die gewechselten E-Mails geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG lehnte die Festsetzung der Terminsgebühr ab. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der BGH hat die zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Aus den Gründen

Aus den Gründen:„ a) Dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers per E-Mail mit dem Beklagten die Modalitäten der Streitbeilegung erörterte, ist eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG nicht entstanden. Die Kommunikation über E-Mails ist nicht als Besprechung im Sinne dieses Gebührentatbestandes zu werten (ebenso: Bischof, in: ders., RVG 3. Aufl., Vorbemerkung 3 VV Rn 96c, Nr. 3104 VV Rn 54; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., Vorb. 3 VV Rn 105; Hansens, in: ders./Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 8 Rn 216; ders., RVGreport 2007, 268, 269; a.A. OLG Koblenz a.a.O. mit zustimmenden Anmerkungen Mayer, RVG-Letter 2007, 65; Schons, AGS 2007, 348; VG Lüneburg AGS 2008, 282; kritisch: AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 4. Aufl., VV Vorb. 3 Rn 141; Pießkalla/Reichart, VRR 2009, 92).

aa) Bereits der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes sprechen dagegen, den Austausch von E-Mails als Besprechung anzusehen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch, der grundsätzlich auch das Verständnis von Gesetzesbestimmungen prägt, erfordert eine Besprechung die – mündliche oder fernmündliche – Äußerung von Worten in Rede und Gegenrede, sodass der Austausch von Schriftzeichen per Brief, Telefax, SMS oder E-Mail nicht genügen kann (Hansens, a.a.O.; Müller-Rabe, a.a.O. Rn 104 f.). Dass der Gesetzgeber abweichend davon mit dem Begriff der Besprechung auch einen Meinungsaustausch auf schriftlichem oder elektronischem Wege verbinden wollte, ist nicht ersichtlich. Zudem wird der Schriftverkehr des Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten durch die Verfahrensgebühr abgegolten, die der Rechtsanwalt nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information erhält. Diese Gebühr deckt die gesamte Tätigkeit ab, für die andere Gebühren, insbesondere die Terminsgebühr, nicht anfallen. Hierzu gehört insbesondere die Fertigung von Schriftsätzen an Gegner oder Dritte (Hansens, RVGreport 2007 a.a.O. m.w.N.). Wollte man darauf abstellen, dass der Austausch von E-Mails in der Regel größeren anwaltlichen Arbeitsaufwand erfordert als ein Gespräch und der Text einer E-Mail im Allgemeinen verlässlicher ist als das gesprochene Wort (so OLG Koblenz RVGreport 2007, 268 [Hansens] = AnwBl 2007, 633 = AGS 2007, 347 m. zust. Anm. Schons und weiterer Anm. Schneider), so müssten auch außerhalb des Prozesses versandte Schriftsätze mit Einigungsvorschlägen zu einer Terminsgebühr führen (vgl. Bischof, a.a.O.; Müller-Rabe, a.a.O.; Pießkalla/Reichart, a.a.O.). Dies führte – wie das Beschwerdegericht zutreffend hervorhebt – am Gesetzeswortlaut vorbei zu einer erheblichen Erweiterung des ohnehin weit gefassten Abgeltungsbereichs der Gebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG und zu einer sachwidrigen Verteuerung von Rechtsstreitigkeiten. Aus diesem Grund rechtfertigt auch der Umstand, dass eine elektronische oder schriftliche Kommunikation vergleichbare Regelungsmöglichkeiten wie eine mündliche oder telefonische Erörterung eröffnet, nicht den Ansatz der Terminsgebühr.

bb) Schließlich verweist der Beschwerdeführer ohne Erfolg auf die Gesetzesbegründung, Danach soll die in Absatz 3 der Vorbemerkung bestimmte Terminsgebühr sowohl die bisherige Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO a.F. als auch die Erörterungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO a.F. ersetzen. Die Abgeltung von außergerichtlichen Besprechungen wird im Gesetzentwurf damit begründet, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen soll. Deshalb soll die Terminsgebühr "auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Sol...

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