" … Die begehrte Prozesskostenhilfe kann der Kl. nicht mit dem Argument versagt werden, dass sie den Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht hinreichend dargelegt habe. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt gem. § 114 ZPO voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Solche Erfolgsaussichten lassen sich nicht deshalb verneinen, weil der Schadenseintritt nicht hinreichend dargelegt sei."

Die Kl. begehrt mit ihrer Klage die Gewährung von Versicherungsschutz für den im Mai 2014 angezeigten Leitungswasserschaden an einem Heizungsrohr im Badezimmer, d.h. für die durch das ausgetretene Wasser entstandenen Schäden. Der Anspruch auf Entschädigung für Nässeschäden besteht gem. § 3 Ziff. 3 VGB unter anderem dann, wenn Leitungswasser aus Rohren der Wasserversorgung oder aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung ausgetreten ist. Für die streitentscheidende Frage, ob ein solcher Schaden in versicherter Zeit eingetreten ist, findet sich in § 3 Ziff. 3 VGB keine Regelung. Der Zeitpunkt des Schadenseintritts bei Bruchschäden i.S.d. § 3 Ziff. 1 und 2 VGB lässt sich nicht ohne Weiteres auf den Nässeschaden nach § 3 Ziff. 3 VGB übertragen. Anders als ein nach § 3 Ziff. 1 und 2 VGB versicherter Rohrbruch stellen sich Nässeschäden i.S.d. § 3 Ziff. 3 VGB schließlich nicht als punktuelle Ereignisse dar, sondern beruhen auf einem Geschehen, welches sich regelmäßig über einen oft längeren Zeitraum erstreckt und zu einem infolge nachlaufenden Wassers sich ständig vergrößernden Schaden führt. Entgegen der vom LG (und etwa OLG Celle r+s 2012, 493) vertretenen Ansicht lässt sich für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls i.S.d. § 3 Ziff. 3 VGB deshalb nicht allein darauf abstellen, wann die erste Rohrundichtigkeit im Sinne einer “Erstschädigung’ eingetreten ist. Aus Sicht eines durchschnittlichen VN kann das Versicherungsversprechen für Nässeschäden vielmehr auch dahin ausgelegt werden, dass der Versicherungsfall “Nässeschaden’ so lange andauert, wie Wasser bestimmungswidrig aus Leitungen austritt und versicherte Sachen zerstört oder beschädigt. Gerade im Fall eines Versicherungswechsels geht der durchschnittliche VN schließlich davon aus, dass er lückenlosen Versicherungsschutz für sämtliche Schäden erhält bzw. behält, die er unter Geltung der neuen Versicherung entdeckt. Schließlich treffen ihn die Anzeigepflichten aus § 27 Ziff. 2 VGB nur im Hinblick auf die Schäden, die ihm zur Kenntnis gelangt sind. Der durchschnittliche VN kann deshalb annehmen, der neue VR stehe für sämtliche Nässeschäden ein, die der VN in versicherter Zeit entdeckt (vgl. dazu Felsch, r+s 2014, 313, 324 f). Bei einem solchen Verständnis des Versicherungsfalls i.S.d. § 3 Ziff. 3 VGB besteht Versicherungsschutz, solange (noch) Wasser aus der defekten Leitung austritt und zu Nässeschäden an versicherten Sachen führt.

Diese Auslegungsmöglichkeit genügt im vorliegenden Fall für die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren, weil das Wasser nach dem erstinstanzlich vorgelegten Gutachten der Sachverständigen B seit 2007/2008 aus dem defekten Heizungsrohr austrat und bis in die Versicherungszeit der Kl. hinein Schäden verursachte.

Soweit die Bekl. sich darauf beruft, dass der Nässeschaden erst nach Beendigung des Versicherungsschutzes im Januar 2013 eingetreten sei, nimmt dies der beabsichtigten Klage angesichts des angetretenen Sachverständigenbeweises nicht ihre Erfolgsaussichten. … “

zfs 1/2016, S. 34 - 35

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