VVG § 14; BU § 12

Leitsatz

Der VR ist im Rahmen der Leistungsprüfung berechtigt, die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit zu prüfen.

LG Dortmund, Urt. v. 24.9.2015 – 2 O 332/13

Sachverhalt

Die Kl. beantragte am 8.3.2010 bei dem Bekl. den Abschluss einer selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Gesundheitsfragen in dem Versicherungsantrag verneinte sie. Der Bekl. erteilte den Versicherungsschein vom 13.4.2010. In § 12 der AVB Allgemeinen Bedingungen heißt es auszugsweise wie folgt:

Werden Leistungen aus dieser Versicherung verlangt, sind uns unverzüglich auf Kosten des Ansprucherhebenden folgende Unterlagen einzureichen … ausführliche Berichte der Ärzte und anderer Heilbehandler, die die versicherte Person gegenwärtig behandeln bzw. behandelt oder untersucht haben, über Ursache, Beginn, Art, Verlauf und voraussichtliche Dauer des Leidens sowie über den Grad der Berufsunfähigkeit oder die Art und den Umfang einer Pflegebedürftigkeit … Wir können außerdem weitere ärztliche Untersuchungen durch von uns beauftragte unabhängige Ärzte sowie notwendige Nachweise – auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen – verlangen, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen auch über den Gesundheitszustand der versicherten Person vor oder nach ihrer Vertragserklärung.

Im März 2013 beantragte die Kl. Berufsunfähigkeitsleistungen bei dem Bekl. Die Kl. unterzeichnete am 3.4.2013 eine von dem Bekl. vorformulierte Schweigepflichtentbindungserklärung, mit der sie ihre Krankenversicherung umfassend von der Schweigepflicht entband. Mit Schreiben vom 5.4.2013 wandte sich der Bekl. an die E und bat um Auskunft. Mit Schreiben vom 22.4.2013 teilte die E dem Beklagten mit, dass sich eine Auskunft zu Vorerkrankungen nur auf die Diagnose beziehen dürfe, zu der die Prüfung erfolge. Die Kl. übersandte dem Bekl. ferner ein Schreiben der E vom 13.5.2013, wonach die E ab Versicherungsbeginn 1.6.2007 eine begrenzte Auskunft auf psychische und nervöse Beschwerden sowie Erschöpfungszustände erteilte. In dem Schreiben heißt es: Ambulante Behandlungen der Psyche seit 2007: Behandlung durch Dr. T, 21.9.2010 bis 15.11.2010 wegen Erschöpfungszustand. …

Mit Schreiben vom 28.4.2015 stellte der Bekl. der Kl. eine vorformulierte Schweigepflichtentbindungserklärung betreffend den Arzt Dr. T für den Zeitraum vom 8.3.2005 bis 8.3.2010 und die E AG für Auskunft zum Zeitraum 1.1.2007 bis 8.3.2010 betreffend näher beschriebene Erkrankungen. Diese Schweigepflichtentbindungserklärung unterzeichnete die Kl. nicht.

Die Kl. behauptet, sie sei als selbstständige Versicherungsmaklerin tätig gewesen und seit dem 24.9.2012 wegen einer depressiven Episode berufsunfähig. Sie leide ferner an kreisrundem Haarausfall und Neurodermitis. Sie behauptet, sie habe die E aufgefordert, die von dem Bekl. erbetene vollständige Auskunft zu erteilen. Daraufhin habe die E sie hingewiesen, dass solche Auskünfte nicht geschuldet seien. Sie ist der Ansicht, sie habe mit der Unterzeichnung der umfassenden Schweigepflichtentbindungserklärung schon das erforderliche getan.

2 Aus den Gründen:

" … Die zulässige Klage war abzuweisen, da die Ansprüche der Kl. derzeit nicht fällig sind. Nach § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des VR fällig mit der Beendigung des zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des VR notwendigen Erhebungen. Diese Erhebungen sind hier noch nicht abgeschlossen. Dazu bedarf es noch der Auskünfte des Vorbehandlers und der E AG in dem von dem Beklagten richtigerweise eingeschränkten Umfang. Der VR ist im Rahmen der Leistungsprüfung berechtigt auch die Frage zu prüfen, ob Versicherungsschutz durch eine Rücktritts- oder Anfechtungserklärung beseitigt werden kann und ob eine eventuelle Vorvertraglichkeit gegeben ist. Eine Erstreckung der Leistungsprüfung auf den vorvertraglichen Bereich ist auch nicht aufgrund des neu eingefügten und hier anzuwendenden § 213 VVG als unzulässig anzusehen. § 213 Abs. 1 VVG sieht vor, dass die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch den VR nur bei Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen, anderen PersonenVR und gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften und Behörden erfolgen darf und sie nur zulässig ist, soweit die Kenntnis der Daten für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Person eine Einwilligung erteilt hat. Auch die Frage, ob tatsächlich Gründe für die Ausübung des Rücktritts- oder Anfechtungsrechts bestehen oder ob Vorvertraglichkeit gegeben ist, ist als Teil der Leistungsprüfung des VR nach Geltendmachung eines Versicherungsfalls anzusehen. Erforderlich zur Leistungsbeurteilung im Sinne des § 213 Abs. 1 VVG können daher Daten auch dann sein, wenn anlässlich eines Versicherungsfalls geklärt werden soll, ob der VN bei Vertragsschluss relevante Angaben unterlassen hat und deshalb ein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht besteht (KG, Urt. v. 8.7.2014 – 6 U 134/13; OLG Saarbrücken...

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