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Der Konsum von Alkohol kann negative Auswirkungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen haben. Man unterscheidet Alkoholmissbrauch einerseits und Alkoholabhängigkeit andererseits. Missbrauch von Alkohol im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. In einem solchen Fall fehlt die Fahreignung (Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV). Nach Beendigung des Missbrauchs wird die Fahreignung wieder erlangt, wenn die Änderung des Trinkverhaltens hinreichend gefestigt ist (Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV). Bei Abhängigkeit von Alkohol besteht keine Fahreignung (Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV). Nach Überwindung der Abhängigkeit und durchgeführter Entwöhnungsbehandlung wird die Fahreignung wieder erlangt, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV). § 13 FeV regelt, in welchen Fällen die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein ärztliches oder ein medizinisch-psychologisches Gutachten fordern muss. Insgesamt sind diese gerade geschilderten gesetzlichen Regelungen nicht sehr ausführlich, so dass es für den Rechtsanwender der Praxis unabdingbar ist, die einschlägige Rechtsprechung zu kennen. Bemerkenswerte Entscheidungen aus jüngerer Zeit im Zusammenhang mit der Alkoholproblematik im Straßenverkehr werden nachfolgend dargestellt.

A. Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen Alkoholmissbrauchs (VGH Mannheim, Urt. v. 18.6.2012 – 10 S 452/10)

Der Entscheidung[1] lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger führte ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,78 mg/l. Eine später entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille. Das Strafgericht verurteilte ihn u.a. wegen Trunkenheit im Verkehr und nahm insoweit eine Blutalkoholkonzentration von 1,58 Promille an. Es entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist von 11 Monaten an. Im Neuerteilungsverfahren forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. Nachdem sich der Kläger weigerte, eine solche beizubringen, lehnte die Behörde den Antrag auf Neuerteilung ab. Die Verpflichtungsklage des Klägers war in zweiter Instanz insoweit erfolgreich, als der VGH die Behörde zur Neuverbescheidung verpflichtete.

Die Leitsätze lauten:

1. Entziehung der Fahrerlaubnis i.S.d. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ist auch die strafgerichtliche Entziehung aufgrund von § 69 StGB.

2. Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV setzt im Sinne einer Tatbestandswirkung nur eine vorherige Entziehung der Fahrerlaubnis aus einem der Sachgründe der Buchstaben a bis c voraus. Bei Anknüpfung an Buchstabe a genügt insoweit die Feststellung, dass die frühere (verwaltungsbehördliche oder strafgerichtliche) Entziehung wegen Alkoholmissbrauchs erfolgt ist; einer (ggf. erneuten) Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Gutachtensanordnung nach Buchstabe a bedarf es nicht.

3. Eine Gutachtensanordnung nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a FeV kommt auch dann in Betracht, wenn der Schwellenwert nach Buchstabe c von 1,6 Promille bei der Trunkenheitsfahrt selbst noch knapp unterschritten, jedoch infolge desselben Alkoholkonsums kurz danach erreicht wird.

Das Gericht entschied in der Sache dennoch teilweise zugunsten des Klägers. Es nahm die Voraussetzungen für die Annahme der fehlenden Fahreignung (§ 11 Abs. 8 FeV) als nicht gegeben an, weil die formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 S. 4 FeV nicht erfüllt seien, nachdem die Behörde es unterlassen hatte, eine im Gutachten zu klärende Fragestellung zu formulieren.

Bemerkenswert ist die Entscheidung aber in erster Linie, weil sie jedenfalls in Baden-Württemberg dazu geführt hat, dass jeder, dem das Strafgericht im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch die Fahrerlaubnis entzogen hat, im Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis unabhängig von dem erreichten Blutalkoholgehalt (oder der erreichten Atemalkoholkonzentration) sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen muss. Im Jahr 2014 hat der VGH Mannheim diese Rechtsauffassung bestätigt.[2] Dieser Rechtsprechung angeschlossen haben sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern,[3] das VG München,[4] das VG Berlin[5] und jetzt auch der BayVGH.[6] Offen gelassen hat die Frage das OVG Nordrhein-Westfalen.[7] Eine andere Kammer des VG München[8] und das VG Würzburg[9] vertreten die Auffassung, dass eine MPU auch nach einer strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund Alkoholmissbrauchs bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt nur dann in Betracht kommt, wenn der Betroffene dort eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille (oder eine vergleichbare Atemalkoholkonzentration) erreicht hat. Diese Auffassung wird in der Literatur überwiegend geteilt.[10]

In der Vergangenheit hatte insbesondere der BayVGH[11] die Auffassung vertreten, im Fall einer einmaligen Trunkenheitsfahrt komme im Verfahren zur (Neu)Ertei...

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