" … Die Klage hat Erfolg."

Die in der Entscheidungsformel näher bezeichnete Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf der BAB 46 (F.-Brücke in D.) wegen Brückenbauarbeiten ist nach inzwischen erfolgtem Abschluss der Arbeiten rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage gegen die eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h anordnenden Verkehrszeichen statthaft, die Allgemeinverfügungen i.S.v. § 35 S. 2 VwVfG NRW darstellen. Im Verhältnis zur – in Fahrtrichtung gesehen – ersten Anordnung von 80 km/h stellen die nachfolgenden Verkehrszeichen inhaltsgleiche, aber eigenständige Zweitverfügungen dar. Die Klage ist fristgemäß erhoben. Der Kl. hat nach seinem unwiderleglichen Vortrag die Verkehrszeichen erstmals am 7.8.2013 wahrgenommen und damit am 1.4.2014 rechtzeitig Klage erhoben. Gegen Verkehrszeichen beginnt die Klagefrist nicht mit deren Aufstellung, sondern für jeden Verkehrsteilnehmer gesondert erst dann, wenn er dem Verkehrszeichen erstmals gegenübertritt. Da Verkehrszeichen keine Rechtsbehelfsbelehrungen beigegeben sind, beträgt die Klagefrist nicht gem. § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO einen Monat, sondern nach § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr (vgl. BVerwG, Urt. vom 23.9.2010 – 3 C 37.09, BVerwGE 138, 21).

Ein Widerspruchsverfahren war nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. § 110 JustizG NRW nicht durchzuführen.

Der Kl. ist klagebefugt, weil die angegriffenen Verkehrszeichen ihn in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschränken, und zwar hier in Gestalt des straßenverkehrsrechtlichen Rechts, eine Autobahn im Grundsatz ohne Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit befahren zu dürfen, vgl. § 3 StVO. Es kommt nicht darauf an, ob der Kl. mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit von dem Verkehrszeichen betroffen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 – 3 C 15/03, [zfs 2004, 139 =] NJW 2004, 698).

Die Klage ist auch begründet.

Maßgeblich für den Erfolg einer gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung. Der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nach st. Rspr. solche Dauerverwaltungsakte sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.9.2010 – 3 C 37.09, BVerwGE 138, 21 m.w.N.), ergibt sich damit aus § 45 StVO in der am 1.4.2013 in Kraft getretenen Neufassung gem. der Verordnung v. 6.3.2013, BGBl I S. 367. In tatsächlicher Hinsicht sind die Verhältnisse am Tag der mündlichen Verhandlung ausschlaggebend.

Ob die Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Abs. 2 S. 1 StVO bei der Aufstellung der Verkehrszeichen zur Durchführung von Straßenbauarbeiten gerechtfertigt war, kann offen bleiben. Denn inzwischen sind die Straßenbauarbeiten jedenfalls beendet. Im Vorgriff auf die ins Auge gefassten, aber nach der Auskunft von Straßen.NRW noch nicht einmal feststehenden Baumaßnahmen Ende 2015 lässt sich die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht rechtfertigen.

Die Erfüllung anderer Tatbestände des § 45 StVO, etwa zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm gem. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO, hat das beklagte Land nicht einmal vorgetragen. Da sich über Anwohnerbeschwerden … hinaus, die in ihrer Pauschalität keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine unzumutbare Lärmbelastung bieten, nichts in den Akten findet, und das beklagte Land zu Fragen des Lärmschutzes nichts vorgetragen hat, obwohl das Gericht hierzu – letztmals mit der Ladung unter erneuter Fristsetzung bis zum 22.10.2014 – aufgefordert hat, besteht für das Gericht trotz seiner aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, kein Anlass, diesem Gesichtspunkt weiter nachzugehen. Diese Bemühungen hätten auch keinen Erfolg gezeitigt, weil der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, dass bislang keine Lärmuntersuchungen an der F.-Brücke stattgefunden hätten.

Nur vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass eine (künftige) Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der F.-Brücke aus anderen Gründen als den inzwischen vorläufig abgeschlossenen Brückenbauarbeiten durch dieses Urteil nicht ausgeschlossen ist. … “

Mitgeteilt von RA Volker Böger, Gütersloh

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