Das Kollisionsereignis muss vom Beschuldigten bewusst wahrgenommen werden. Die bei einer Kollision auftretenden physikalischen Ereignisse, Schwingungen,[24] können gespürt, gehört oder gesehen werden.[25] Der Sachverständige muss alle drei Wahrnehmungsvarianten im Gutachten abdecken.

Die optische Wahrnehmung kann dadurch beeinträchtigt sein, dass der Beschuldigte die Anstoßstelle seines eigenen Fahrzeugs gar nicht visuell erfassen kann.[26] Gleiches gilt, wenn beim Rückwärtsfahren/Ausparken nach verschiedenen Seiten Ausschau gehalten werden muss bzw. die Anstoßstelle nur über den optisch verzerrenden Spiegel beobachtet werden könnte.[27] Eine Bewegung des angestoßenen Pkw nimmt der Unfallverursacher dazu weitaus schlechter wahr als ein außenstehender Zeuge, da sich letztgenannter voll auf das Unfallgeschehen konzentriert: Für den ruhenden Beobachter sind Relativbewegungen des getroffenen Pkw wesentlich besser wahrnehmbar als für den Unfallverursacher, der stets Blickwechsel, Kopfdrehbewegungen etc. durchführt.[28]

Die weitaus besser nachweisbare Wahrnehmungsmöglichkeit geht über die Akustik. Gehört werden kann insbesondere das Geräusch des Anstoßes. Die Wahrnehmung ist dabei abhängig von der Frequenz und der Lautstärkeentwicklung.[29] Zudem sind die Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs, zum anderen die Eigenschaften der Pkw-Insassenzelle, Geräusche zu dämmen, von Einfluss.[30] Neben der Abschirmung von Außengeräuschen durch den Fahrzeughersteller konkurrieren im Auto noch sonstige akustische Eindrücke mit dem Unfallgeräusch, zu nennen sind hier Gebläse/Klimaanlage, musikalische Untermalung, parallel geführte Telefongespräche, aber auch Ladung, Motorengeräusche etc. Hier muss noch einmal auf die obige Rechtsprechung hingewiesen werden, dass ein Zeuge außerhalb des Fahrzeugs keine belastbaren Angaben zur Wahrnehmbarkeit im Auto machen kann: Das Gericht könnte hieraus allenfalls einen wenig belastbaren Rückschluss bilden.[31]

Die letzte durch den Sachverständigen nachzuweisende Wahrnehmung ist die taktile oder sensorische Wahrnehmung. Dies kann, abhängig von Kleidung, Sitzposition, Sitzqualität, Ablenkung und individueller Feinfühligkeit bereits in Form eines Drucks durch den Anstoß geschehen, oftmals sogar, wenn eine Vibration über das Lenkrad weitergegeben wird.[32] Ebenso denkbar ist eine kinästhetische Wahrnehmung über den Gleichgewichtssinn.[33]

[24] Buck in: Buck/Krumbholz, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. 2013, 637.
[25] Baumert, DAR 2000, 283.
[26] Beispielsweise an der vorderen rechten Stoßstangenecke, Schmedding, NZV 2003, 24.
[27] Lessing, DAR 1997, 329.
[28] Schmedding, NZV 2003, 24.
[29] Buck in: Buck/Krumbholz, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. 2013, 658.
[30] Wolff, DAR 1994, 391; Buck in: Buck/Krumbholz, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. 2013, 657.
[31] Vgl. Quarch in: Buck/Krumbholz, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. 2013, 691.
[32] Schmedding, NZV 2003, 24.
[33] Buck in: Buck/Krumbholz, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. 2013, 641 und 656.

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