" … Die gem. §§ 333, 335 Abs. 1 StPO statthafte Revision ist zulässig und auch begründet."

Dabei ist nicht zu beanstanden, dass das AG seine Überzeugung, der Angekl. habe das fragliche Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt, nachdem er zuvor so viel Alkohol zu sich genommen hatte, dass die ihm entnommen Blutprobe 2,93 Promille Alkohol enthielt, auf das schriftliche Gutachten der Staatlichen Blutalkohol-Untersuchungsstelle in K v. 1.6.2012 gestützt hat. Das Untersuchungsergebnis unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot. Das AG hat mit ausführlicher und überzeugender Begründung dargelegt, dass der Polizeibeamte zunächst versuchte, eine richterliche Entscheidung zu erlangen und dass nach der ihm erteilten Auskunft ein Richter frühestens in einer halben Stunde erreichbar gewesen sei. Der Beamte durfte angesichts der Unsicherheit, ob der zuständige Richter tatsächlich nach Ablauf einer halben Stunde erreichbar sein würde, die Entnahme der Blutprobe selbst anordnen. Jedenfalls – worauf das AG zutreffend hingewiesen hat – war die Entscheidung des Polizeibeamten in dieser Situation keinesfalls willkürlich.

Die Erwägungen, mit denen das AG eine erhebliche Verminderung oder einen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit i.S.d. §§ 20, 21 StGB ausgeschlossen hat, begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das AG ist zugunsten des Angekl. von einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,5 Promille oder sogar noch knapp darüber ausgegangen. Das AG führt aus, dass der Angekl. aber trotz seiner hohen Alkoholisierung keine deutlichen Ausfallerscheinungen gezeigt habe. Denn er sei bis zum Unfall noch in der Lage gewesen, einen Pkw zu führen. Gegen den am Tatort eingesetzten Polizeibeamten habe er keine deutlichen alkoholbedingten Auffälligkeiten gezeigt. Er sei in der Lage gewesen, ein geordnetes Gespräch mit den Polizeibeamten zu führen und die Entscheidung über eine freiwillige Entnahme einer Blutprobe zu treffen. Der Polizeibeamte habe nach seinem Eindruck keinen volltrunkenen Angekl. angetroffen. Bei seiner Zeugenaussage habe er lediglich überlegt, ob der Angekl. mittelgradig oder stark alkoholisiert gewesen sei, woran er sich nicht mehr sicher erinnert habe. Dies sowie der Grad der Alkoholisierung zur Mittagszeit spreche dafür, dass der Angekl. erheblich Alkohol gewohnt sei und daher trotz seiner erheblichen Alkoholisierung in der Lage gewesen sei, das Unrecht seines Handelns zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Mit diesen Ausführungen verkennt das AG die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen. Zwar ist im Ausgangspunkt die Annahme des AG zutreffend, dass es nach der neueren gefestigten Rspr. des BGH keinen Rechts- oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von erheblich verminderter Schuldfähigkeit auszugehen, und dass für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände maßgeblich ist, die sich auch auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2012 – m.w.N., zit. nach juris). Die Erwägungen, die das AG dazu veranlassten, trotz der erheblichen Alkoholisierung von voller Verantwortlichkeit des Angekl. auszugehen, sind aber lückenhaft und zum Teil widersprüchlich. Hinsichtlich des Erscheinungsbilds des Angekl. hat das AG allein die Aussage des Polizeibeamten herangezogen, wonach der Angekl. nach seinem Eindruck nicht volltrunken, sondern lediglich mittelgradig oder möglicherweise auch stark alkoholisiert war. Hierbei handelt es sich lediglich um Wertungen des Polizeibeamten, die so nicht nachvollziehbar sind. Hier hätte es der Mitteilung bedurft, ob und ggf. welche alkoholbedingten Ausfallerscheinungen der Polizeibeamte wahrnahm und bei welchen Ausfallerscheinungen er von einem “volltrunkenen’ Angekl. einerseits und einem “stark alkoholisierten’ Täter ausgeht. Auch bleibt offen, woher der Tatrichter die Erkenntnis nimmt, dass der Angekl. bis zu dem Unfall in der Lage war, einen Pkw zu führen. Das Urteil enthält keinerlei Feststellungen über das Fahrverhalten des Angekl. bis zum Unfall, insb. nicht dazu, ob der Angekl. grundlos möglicherweise wechselnde Geschwindigkeiten oder Schlangenlinien fuhr oder Verkehrszeichen missachtete.

In der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung wird das AG zu erwägen haben, ob es für die Beurteilung der Schuldfähigkeit einen Sachverständigen hinzuzieht, was bei hoher Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit i.d.R. unumgänglich ist. Sollte sich das Gericht für genügend sachkundig halten, müsste es seine Sachkunde in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise im Urteil darlegen (vgl. KG, Beschl. v. 18.6.1999 – (3) 1 Ss 108/99 (47/99), zit. nach juris).

Das AG wird in der neuen Verhandlung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.“

Mitgeteilt von RA Stefan Busch, Lübeck

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