“… Die Berufung des Kl. ist zulässig, jedoch unbegründet. Zutreffend hat das LG die Klage abgewiesen, weil die Bekl. zur Kürzung ihrer Leistung um 25 % berechtigt ist und zudem einzelne Schadenspositionen nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht erstattungsfähig sind. Daher hat die Bekl. ihre Leistungsverpflichtung durch Zahlung von 3.875,50 EUR bereits vollständig erfüllt.

B. Auf der Grundlage der vertragsgegenständlichen AKB der Bekl. ist die geltend gemachte Kürzung des Leistungsanspruchs des Kl. i.H.v. 25 % nicht zu beanstanden.

1. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke ist die Bekl. nach A.2.8.1 AKB berechtigt, ihre Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

a. Danach besteht selbst bei unstreitiger oder sonst eindeutig festzustellender grober Fahrlässigkeit des VN grds. ein voller Leistungsanspruch des VN. Der VR ist lediglich berechtigt, die nach dem Versicherungsvertrag zu erbringende Leistung zu kürzen. Hiervon muss er Gebrauch machen, von Amts wegen ist im Prozess eine Kürzung nicht vorzunehmen, und zwar auch dann nicht, wenn sich der VR aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen mangelnder Erstattungsfähigkeit einzelner Schadenspositionen) auf eine Zuvielforderung beruft. Denn der Gesetzgeber hat ein Kürzungsrecht geregelt, nicht aber, dass dem VN ein von vornherein geminderter Leistungsanspruch zusteht.

b. Ausgehend von einer vollen Leistungspflicht des VR besteht somit ein Anspruch des VN auf Ersatz von 100 % des ersatzfähigen Schadens, wenn der VR trotz feststellbarer grober Fahrlässigkeit von seinem Kürzungsrecht keinen Gebrauch macht.

Dies hat auch zur Konsequenz, dass die Kürzung ausgehend von der vollen Leistung vorzunehmen und nicht etwa von einem Mittelwert von 50 % auszugehen ist, der – einer Beweislastverteilung zwischen den Beteiligten entsprechend – je nach den Einzelfallumständen im Ergebnis höher oder niedriger angesetzt werden muss, um auf diesem Wege das Ausmaß des Kürzungsrechts des VR konkret zu bemessen … Dies gilt umso mehr, als die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit bei dem VR liegt und § 81 Abs. 2 VVG n.F. kein “Mindestmaß‘ der Kürzung vorschreibt. Die “Schwere des Verschuldens‘ im Rahmen festgestellter grober Fahrlässigkeit schließt es nicht per se aus, dass auch eine nur geringe Kürzung des Leistungsanspruchs möglich und zulässig ist, sodass es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht systemgerecht wäre, den Ansatz bei einem Mittelwert zu wählen und hierdurch den VN zu beschweren, dem es nicht gelingt, ihm günstige Umstände, die der VR bestreitet, zu beweisen.

Aus Sicht des Senats bietet es sich auch nicht an, nach dem “Einstieg‘ bei 100 % Leistungspflicht des VR, die dann auf der Grundlage der konkreten Schwere des Verschuldens des VN um einen näher zu begründenden und festzusetzenden Prozentsatz reduziert wird, von vornherein, also zunächst einzelfallunabhängig, eine bestimmte Größenordnung von “Reduzierungsschritten‘ …, in Ansatz zu bringen. Einzelfallgerecht ist allein die gerichtliche Überprüfung, ob der VR unter Abwägung aller für und gegen den VN sprechenden berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkte von seinem Kürzungsrecht keinen zu hohen Gebrauch gemacht hat. Letztlich bedarf dies hier jedoch keiner Entscheidung. Die von der Bekl. für den streitgegenständlichen Versicherungsfall vorgenommene Kürzung von 25 % ist jedenfalls insgesamt nicht zu weitgehend, sondern entspricht den bedingungsgemäßen Anforderungen, wonach die Kürzung an der Schwere der Schuld auszurichten ist:

aa. Nach ständiger Rspr. der Zivilsenate des BGH wird der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit i.S.d. § 61 VVG a.F. grds. einheitlich, also unabhängig vom konkret betroffenen Versicherungszweig bestimmt. Grobe Fahrlässigkeit setzt ein Verhalten des VN voraus, von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern (BGH VersR 1980, 180; OLG Hamm VersR 1982, 1042). Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadens – und zwar gerade die des eingetretenen Schadens (BGH VersR 1992, 1087) – offenkundig so groß sein, dass es ohne Weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich verübte in Betracht zu ziehen (OLG München VersR 1994, 1060; OLG Saarbrücken VersR 1996, 580). In subjektiver Hinsicht muss ein erheblich gesteigertes Verschulden vorliegen. Das Verhalten des VN muss schlechthin unentschuldbar sein (BGH VersR 1984, 480; BGH VersR 1985, 440; BGH VersR 1989, 141). Grob fahrlässig handelt nur, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, d.h. in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen (BGH VersR 2003, 364).

bb. Nach Maßgabe dessen hat der Kl. den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße missachtet und dabe...

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