Die Differenzbetrachtung erfasst Gewinn und Verlust in der Vermögensbilanz. Die normative Betrachtung beinhaltet daher auch, dass ein Geschädigter im Wege des Schadenersatzes grundsätzlich nicht mehr erhält als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann.[55] Es erschließt sich nicht, warum der BGH der Korrektur durch den normativen Schadensbegriff keine Beachtung schenkt.

Mithilfe einer normativen Schadenbetrachtung[56] hat die Rechtsprechung Gerechtigkeitslücken geschlossen und gesetzlich eigentlich nicht ersatzfähige Vermögenseinbußen einer Ersatzfähigkeit zugeführt, um eine Bereicherung auf Seiten des Ersatzpflichtigen zu korrigieren. Die Kehrseite dieser normativen Betrachtung verlangt dann, auch auf Seiten des Geschädigten eine Bereicherung zu verhindern.

Ein nach der Differenzmethode rechnerisch gewonnenes Ergebnis (Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Unfall) erfährt eine am Schutzzweck der Haftung sowie an Funktion und Ziel des Schadensersatzes ausgerichtete, wertende Korrektur (normativer Schadensbegriff), wenn die Differenzbilanz die Schadensentwicklung für den Normzweck der Haftung nicht hinreichend erfasst.[57] Eine normativ wertende Korrektur der Differenzrechnung ist angezeigt, wenn nach einer umfassenden Bewertung der gesamten Interessenlage (wie sie durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger, dem Geschädigten und ggf. dem leistenden Dritten besteht, sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen) die Differenzbilanz der Schadensentwicklung nicht gerecht wird.[58]

[55] BGH, Urt. v. 15.11.2011 – VI ZR 4/11 – NJW 2012, 601; BGH, Urt. v. 6.7.2000 – IX ZR 198/99 – NJW 2001, 673 m.w.N.; BGH, Urt. v. 9.7.1986 – GSZ 1/86 – NJW 1987, 50.
[57] BGH, Urt. v. 7.11.2000 – VI ZR 400/99 – NJW 2001, 1274; BGH, Urt. v. 7.7.1998 – VI ZR 241/97 – NJW 1998, 3276; BGH, Urt. v. 27.4.1965 – VI ZR 124/64 – NJW 1965, 1430; BGH, Urt. v. 22.6.1956 – VI ZR 140/55 – NJW 1956, 1473; BGH, Urt. v. 19.6.1952 – III ZR 295/51 – NJW 1952, 1249; OLG München, Urt. v. 15.9.2017 – 10 U 739/16 – NJW-RR 2018, 468.

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