BGB § 249 Abs. 2 S. 1 § 254 Abs. 2 S. 1

Leitsatz

1. Der Schädiger kann den Geschädigten gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden.

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten insb. dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen (Bestätigung Senatsurt. v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 7).

2. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer hat darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm benannte "freie Fachwerkstatt" für die Reparaturen am Fahrzeug des Geschädigten ihre (markt-)üblichen, das heißt allen Kunden zugänglichen Preise zugrunde legt (Bestätigung Senatsurt. v. 22.6.2010 a.a.O. Rn 9).

3. Allein der Umstand, dass die fragliche "freie Fachwerkstatt" mit dem Haftpflichtversicherer in Bezug auf Reparaturen von Kaskoschäden seiner VN vertraglich verbunden ist, lässt eine Verweisung auf sie nicht unzumutbar erscheinen.

BGH, Urt. v. 28.4.2015 – VI ZR 267/14

Sachverhalt

Nach einem Verkehrsunfall rechnete der Geschädigte seinen Fahrzeugschaden fiktiv ab. Der Streit der Parteien dreht sich um die Frage, ob der Kl. bei seiner Abrechnung auf die von dem von ihm beauftragten Sachverständigen der Reparaturkostenschätzung zugrunde gelegten Verrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt abstellen darf oder auf die niedrigeren Verrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt verwiesen werden kann. Die Differenz zwischen den unterschiedlichen Ansätzen der Reparaturkosten ist beachtlich. Unter Zugrundelegung der von dem Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten einer markengebundenen Werkstatt ergeben sich voraussichtliche Reparaturkosten von 8.059,54 EUR netto, die voraussichtlichen Reparaturkosten der günstigsten der drei benannten freien Werkstätten liegen bei 6.058,53 EUR netto. Unter Berücksichtigung einer Mitverantwortung des Kl. von 30 % hat die Bekl. auf der Grundlage des voraussichtlichen Reparaturaufwandes der günstigsten freien Werkstatt reguliert, so dass rechnerisch der mit der Klage weiter verfolgte Betrag von 1.393,70 EUR auf der Basis der Schätzung des Sachverständigen noch offen steht.

Weiterer Streit der Parteien besteht darüber, ob der Kl. auf die niedrigeren voraussichtlichen Reparaturkosten zweier Reparaturbetriebe verwiesen werden darf, die Partnerwerkstätten der Bekl. sind. Die Bekl. hatte mit diesen Werkstätten vertragliche Vereinbarungen getroffen. Zur Regulierung von Schäden im Rahmen von Kaskoversicherungen, die die Bekl. eingegangen war, waren Sonderkonditionen vereinbart, die im Verhältnis zum jeweiligen VN der Bekl. zu gewähren waren. Die dritte, von der Haftpflichtversicherung des Schädigers benannte freie Vergleichswerkstatt ist keine Partnerwerkstatt der Bekl. Allerdings verfügt sie in der Nähe des Wohnortes des Geschädigten nur über eine "Annahmestelle" für zu reparierende Unfallfahrzeuge, wobei für aufwändige Reparaturen wie das Fahrzeug des Geschädigten ein Transport in eine 130 km entfernte Werkstatt möglich ist.

Das AG hat die Klage hinsichtlich der auf der Basis der markengebundenen Werkstatt errechneten Beträge abgewiesen. Das LG, das die Revision zugelassen hat, hat unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung der Klage stattgegeben.

Die Revision der Bekl. führte zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung an das BG zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

2 Aus den Gründen:

[7] "… Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur zum Teil stand."

[8] 1. Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen grds. Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann.

[9] Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grds. die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3 f.; v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn 7 f.; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 6 und – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 6; v. 15.7.2014 – VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236 Rn 8).

[10] Nach der Rspr. des erkennenden Senats besteht i.d.R. ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswer...

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