Vgl. Schneider, zfs 2010, 8 f.; BGH zfs 2010, 143.

Die Entscheidung befasst sich unter Bestätigung der seit 2009 ergangenen und in dem Urteil nachgewiesenen Entscheidungen (Rn 9 und 10) mit zwei Teilproblemen. Der BGH hatte in den Entscheidungen zu den Grundsätzen der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten die Frage der Verweisung auf die günstigere Kostenstruktur der freien Werkstätten gegenüber dem fiktiven Preis der Reparatur in einer marktgebundenen Werkstatt unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit eingeordnet. Verkürzt wird die Verweisung auf die Kosten der fiktiven Reparatur in einer freien Werkstatt als Frage der Zumutbarkeit angesehen (BGH zfs 2010, 143 Rn 16 f.; BGH zfs 2010, 494 Rn 29, 33).

1. Eine Unzumutbarkeit der Verweisung auf freie Werkstätten hatte der BGH dann angenommen, wenn auf solche Werkstätten verwiesen wurde, die vertraglich mit der Haftpflichtversicherung des Schädigers Sonderkonditionen vereinbart hatten (vgl. BGH zfs 2010, 143 Rn 17). Der BGH präzisiert den Begriff der Sonderkonditionen dahin, dass solche nur dann vorliegen, wenn der – günstige – Reparaturpreis der vertraglich mit der Haftpflichtversicherung verbundenen Werkstatt nur den durch die Haftpflichtversicherung vermittelten Kunden, damit den Geschädigten, gewährt wird. Werden die "Aushangpreise" allen, auch den nicht vermittelten Kunden der freien Werkstatt gewährt, entfällt die Verweisungsmöglichkeit nicht (Rn 13).

Dass damit das Problem der "befangenen" Reparaturwerkstatt nicht ausgeräumt ist, hat auch der BGH gesehen, da er den Hinweis erteilt, etwaigen Interessenkollisionen der Fachwerkstatt, die aufgrund ihrer vertraglichen und dauerhaften Verbindung mit der Haftpflichtversicherung möglicherweise nicht vollwertig reparieren oder eher Partei für die Haftpflichtversicherung ergreifen werde, in der Weise begegnen zu können, dass dem im Rahmen der Beweisaufnahme nachgegangen wird und bei der Beweiswürdigung Rechnung getragen werde (Rn 13). Dieses aufgezeigte Verfahren führt bei der fiktiven Abrechnung zu keinem denkbaren Erfolg, da etwaige Qualitätsdefizite der Tätigkeit der Werkstatt nur bei einer konkreten Reparaturtätigkeit aufgedeckt werden können, die Nachkalkulation einer fiktiven Reparaturtätigkeit von der Auswirkung einer Interessenkollision unberührt bleibt. Die offene Frage, ob der Geschädigte bei konkreter Durchführung der Reparatur eine mit der Haftpflichtversicherung des Schädigers vertraglich verbundene, möglicherweise auch wirtschaftlich abhängige Werkstatt gewählt hätte, oder dies sich schon wegen der ihm zustehenden Ersetzungsbefugnis und deshalb verboten hätte, weil die Werkstatt aus seiner Sicht im Lager der dem Geschädigten haftenden Versicherung stand, wird damit nicht geklärt. Mit dieser Begründung könnte eine Unzumutbarkeit der Verweisung auf die niedrigeren Kosten der freien Werkstatt angenommen werden. Da die enge Verbindung von Werkstatt und Haftpflichtversicherung des Schädigers ausreicht, eine Unzumutbarkeit der Verweisung zu begründen, würde auch der Hinweis auf die Reparaturtätigkeit im Rahmen von Kaskoversicherungsverträgen hierfür ausreichen. Die Unzumutbarkeit bei konkreter beauftragter Reparaturtätigkeit würde sich auch auf die fiktive Abrechnung erstrecken, da die Zumutbarkeit der Verweisung nicht anders beurteilt werden kann.

2. Die Frage, ab welcher Entfernung der freien Werkstatt, auf deren Kostenstruktur verwiesen worden ist, von Unfallort und/oder Wohnort des Geschädigten nicht mehr verwiesen werden kann, ist von dem BGH – mit Recht – nicht unter Bezifferung der Entfernungen beantwortet worden. Entscheidend kommt es darauf an, dass die freie Werkstatt "ohne Weiteres zugänglich" ist. In der sog. BMW-Entscheidung hatte der BGH eine Entfernung von 21 km von der freien Werkstatt zu dem Wohnort des Geschädigten allerdings nur deshalb für unschädlich gehalten, weil der Geschädigte nicht dargetan hatte, dass sich eine markengebundene Werkstatt in einer deutlich geringeren Entfernung zu seinem Wohnort befunden habe (vgl. BGH zfs 2010, 494 Rn 30). Die Entscheidung des BGH macht deutlich, dass jedenfalls bei einer Entfernung der Werkstatt zu der Unfallstelle und/oder dem Wohnort des Geschädigten von mehr als 130 km von einer zumutbaren Verweisung nicht ausgegangen werden könne. Im Übrigen ist die Entfernung der freien Werkstatt nicht der einzige Gesichtspunkt zur Beurteilung der Zumutbarkeit. Weiterhin ist in die Bewertung der Zumutbarkeit einzubeziehen, ob die markengebundene Werkstatt sich in deutlich geringerer Entfernung als die freie Werkstatt befindet und ob Aufwand und Gefahren für das zu transportierende Unfallfahrzeug bestehen (Rn 4).

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 11/2015, S. 621 - 623

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