Eine sog Begehrens- bzw. Rentenneurose ist zu bejahen, wenn der Geschädigte den Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen.[39] Sein Zustand ist in diesem Fall entscheidend von einer besonderen Begehrensvorstellung geprägt und der konkrete Schaden austauschbar.[40] Dafür ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind.[41] Für die Beurteilung, ob eine neurotische Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, kommt es auf den Schweregrad des objektiven Unfallereignisses und seiner objektiven Folgen, auf das subjektive Erleben des Unfalls und seiner Folgen, auf die Persönlichkeit des Geschädigten und auf eventuell bestehende sekundäre Motive an.[42]

Typischerweise kommt eine solche Begehrensneurose bei Menschen in Betracht, die wegen einer erheblichen psychischen Vorbelastung besonders ausgeprägt nach einem Halt und Sicherheit im Leben suchen und deshalb besonders anfällig für die Entwicklung dieses Krankheitsbildes sind. So hat der BGH[43] beispielsweise ein tatrichterliches Urteil bestätigt, bei dem nach ausführlicher Beweisaufnahme durch den medizinischen Sachverständigen eine unfallbedingte Anpassungsstörung nur für den Zeitraum eines Jahres bejaht worden ist, während in der Folgezeit das Unfallereignis als solches für die psychischen Beeinträchtigungen keine wesentliche Bedeutung mehr gehabt hat, sondern der unfallunabhängige Versorgungswunsch in den Vordergrund getreten ist. Dies zeigt zugleich, dass bei einem Verkehrsunfall ohne dramatisches Unfallgeschehen eine behauptete PTBS gar nicht, sehr wohl aber bei erheblichen psychischen Vorbelastungen eine Anpassungsstörung in Betracht kommt, die aber wiederum unter Beachtung der eingangs genannten Kriterien zeitlich beschränkt ist. Dabei hat der Sachverständige auch berücksichtigt, dass der Geschädigte nach dem Unfallereignis längst abgeklungene körperliche Beeinträchtigungen weiter als ganz erhebliche Einschränkungen empfunden und geschildert hat.

[39] BGH, Urt. v. 10.7.2012 – VI ZR 127/11= zfs 2012, 562; vgl. auch Burmann/Jahnke, NZV 2012, 505 ff.
[40] BGH, Urt. v. 16.3.1993 – VI ZR 101/92 = NZV 1993, 224.
[42] Für die medizinische Beurteilung vgl. auch vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44 und Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., 57.

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