[8] “… 2. Das BG verneint einen Anspruch der Kl. aus § 824 Abs. 1 BGB, weil sich die Kl. nicht gegen Tatsachenbehauptungen, sondern gegen ein Werturteil wende und weil die zu Grunde liegenden Tatsachen wahr seien. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

[9] a) Nach § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Abs. 2 bestimmt, dass durch eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, dieser nicht zum Schadensersatz verpflichtet wird, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen mitgeteilt werden, nicht bloß Werturteile. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB hingegen keinen Schutz (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 = VersR 2006, 1219 Rn 62 – “Kirch’). Die Abgrenzung von Tatsachen und Werturteilen ist bei der Anwendung des § 824 BGB ebenso vorzunehmen wie in sonstigen Zusammenhängen (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 = VersR 2006, 1219 Rn 63 – “Kirch’; MüKo-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 824 Rn 14).

[10] Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. z.B. Senatsurt. v. 30.1.1996 – VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 21 = VersR 1996, 597, 598; v. 11.3.2008 – VI ZR 7/07, VersR 2008, 793, Rn 14, 24; v. 17.11.2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn 15).

[11] Die durch eine Zahl repräsentierte Bonitätsbeurteilung eines Unternehmens stellt im Allgemeinen eine Bewertung dar, die auf Tatsachen beruht. Diese werden nach vorgegebenen Bewertungskriterien gewichtet und fließen so in das letztendlich abgegebene Werturteil ein, das aber dadurch nicht selbst zu einer Tatsachenbehauptung wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn bei der Äußerung aus Sicht des Empfängers die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens gegenüber den zu Grunde liegenden Tatsachen in den Hintergrund treten.

[12] Dem entspricht die Rspr. des erkennenden Senats, wonach bei Kollisionen zwischen dem Recht der Meinungsäußerungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht dort, wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, grds. der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst wird, weil im Fall einer engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden darf, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (vgl. hierzu Senatsurt. v. 30.1.1996 – VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 21 = VersR 1996, 597, 598; v. 16.11.2004 – VI ZR 298/03, VersR 2005, 277, 279; v. 3.2.2009 – VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn 11; v. 17.11.2009 – VI ZR 226/08, a.a.O.).

[13] Die durch den Wortlaut des § 824 BGB vorgegebene Beschränkung des Rechtsschutzes gegen unwahre Tatsachenbehauptungen schließt andere Anspruchsgrundlagen nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, a.a.O.). Beruht die Bonitätsbewertung als Meinungsäußerung auf unzutreffenden Ausgangstatsachen, kommt etwa ein Anspruch des Betroffenen aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht (dazu unten 3).

[14] b) Danach ist die Annahme des BG, bei der Mitteilung des Bonitätsbonus durch die Bekl. handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung, nicht zu beanstanden.

[15] Die Revision macht ohne Erfolg geltend, bei der Mitteilung des Bonitätsindexes “500’ handele es sich entgegen der Auffassung des BG um eine lediglich in das Gewand einer Meinungsäußerung gekleidete Tatsachenbehauptung, weil dieser Kennzahl die Erläuterung “massive Zahlungsverzüge’ zugeordnet sei.

[16] Dem hält die Revisionserwiderung mit Recht entgegen, dass nach dem Vortrag der Bekl., dem die Kl. jedenfalls nicht mit Substanz entgegengetreten ist, ihr Bonitätsindex nach der Art von Schulnoten von “100’ bis “600’ reiche und dass sie die entsprechenden Indexzahlen je nach den geschäftlichen und finanziellen Gegebenheiten auf der Grundlage ermittelter Tatsachen wertend vergebe. Die Bekl. habe hierzu vorgetragen, der Bonitätsindex ergebe sich aus fünfzehn unterschiedlich gewichteten Auskunftsmerkmalen, wie z.B. Kapitalausstattung, Umsatz und Produktivität, sowie zusätzlichen insolvenz- und branchenanalytischen Untersuchungen. Insofern sei zu berücksichtigen, dass das Ergebnis der Analyse der von der Kl. vorgelegten Bilanzen für die Geschäftsjahre 2006 und 2007 alarmierend gewesen sei. Maßgebliche natürliche sowie juristische Personen, von denen in einer Krise hätte erwartet werden können, dass sie das Unternehmen stützten, seien teilweise selbst insolv...

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