BImschG § 40 § 47; 22. BImSchV § 11 § 3 § 4; 35. BImSchV § 1 § 2; 39. BImSchV § 3 § 4; StVO § 41

Leitsatz

1. Die in einem Luftreinhalte- und Aktionsplan beschlossene Maßnahme der Einrichtung einer Umweltzone kann Gegenstand einer Anfechtungsklage betroffener Verkehrsteilnehmer sein. Der Luftreinhalte- und Aktionsplan unterliegt in dem Klageverfahren einer Inzidentkontrolle.

2. Eine abweichende Bestimmung der Zuständigkeit für das Aufstellen von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen durch die oberste Landesbehörde i.S.d. § 1 Abs. 5 S. 3 der niedersächsischen ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz setzt eine dahingehende förmliche Verfügung nicht voraus. Für den Übergang der Zuständigkeit kann es ausreichend sein, dass die oberste Landesbehörde klar zum Ausdruck bringt, dass das Aufstellungsverfahren von der nunmehr zuständigen Stelle zu Ende geführt werden soll und die Verfahrensunterlagen an diese Stelle zur Weiterbearbeitung abgegeben werden.

3. Das Unterlassen einer Öffentlichkeitsbeteiligung entsprechend § 47 Abs. 5a BImSchG ist nach § 67 Abs. 10 BImSchG in Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen unschädlich, die nach dem 25.6.2005 eingeleitet worden sind (hier Einzelfall einer Einleitung vor dem Stichtag).

4. Bei einer Klage gegen Verkehrszeichen, die einen Dauerverwaltungsakt darstellen, ist regelmäßig auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Hingegen kann angesichts des prognostischen Charakters eines Luftreinhalteplans dieser nur eingeschränkt und anhand der Erkenntnisse beurteilt werden, die der Behörde im Zeitpunkt ihres Beschl. bekannt waren oder bei ordnungsgemäßer Aufklärung des Sachverhalts zumindest hätten bekannt sein müssen.

5. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BImSchG vor, so ist die zuständige Behörde verpflichtet, einen Luftreinhalteplan aufzustellen und darin Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen – hier in der Gestalt von NO2-Immissionen – festzulegen. Ein Ermessen steht der Behörde insoweit nicht zu.

6. Die Regelung in § 40 Abs. 1 S. 1 BImSchG eröffnet der Straßenverkehrsbehörde auf der Vollzugsebene kein Ermessen, vielmehr ist die Behörde an die in einem Plan nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG vorgesehenen Maßnahmen strikt gebunden.

7. Die in der 35. BImSchV geregelten Ausnahmen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG ergänzen die allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen – hier zur Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen – einschließlich der Ausnahmevorschriften und sind diesen gegenüber als speziellere Regelung vorrangig.

Niedersächsisches OVG, Urt. v. 12.5.2011 – 12 LC 143/09 und 12 LC 139/09 (nur Ls)

1 Anmerkung:

Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung ist die nach außen wirkende Maßnahme der Anordnung einer Umweltzone nach § 40 BImSchG, die durch das Aufstellen der in Anlage 2 zur StVO in Lfd.-Nr. 44 bis 46 genannten Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 sowie das Zusatzzeichen (Ge- oder Verbotsschild nach § 41 Abs. 2 S. 1 StVO) für Dritte Außenwirkung erlangt. Aktionspläne wie Luftreinhaltepläne sind inzident bei der Überprüfung der nach außen wirkenden Maßnahme der Anordnung einer Umweltzone zu kontrollieren (vorstehende Entscheidung des NdsOVG v. 12.5.2011, 12 LC139/09 und 12 LC 143/09; OVG NRW v. 25.1.2011, UPR 2011, 192 = VRS 129 (2011), 365 = NZV 2011, 319 [nur Leitsatz]; VG Hannover v. 21.4.2009, 4 A 5211/08 (Vorinstanz zur vorstehenden Entscheidung des NdsOVG), jurisPR-VerkR 23/2009, Anm. 6 – Zwerger; OVG Berlin-Brandenburg v. 7.5.2008, 11 S 35.08; VG Berlin v. 9.12.2009, 11 A 299.08; VG Köln v. 9.10.2009, 18 K 5493/07; VG Düsseldorf v. 8.12.2009, 3 K 3720/09; VG München v. 9.2.2010, M 1 K 09.4872).

Die bislang bekannt gewordenen Entscheidungen der erstinstanzlichen VG über Klagen gegen Umweltzonen gingen bislang alle zu Lasten der Klagepartei aus (VG Hannover, a.a.O. – zur Umweltzone Hannover; VG Köln, a.a.O. – zur Umweltzone Köln; VG Berlin, a.a.O. – zur Umweltzone Berlin; VG Düsseldorf, a.a.O. – zur Umweltzone Oberhausen/Mülheim (Ruhr), VG München, a.a.O. – zur Umweltzone München). Auch die – soweit ersichtlich – erste obergerichtliche Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Umweltzone – des OVG NW zur Umweltzone Köln (OVG NW v. 25.1.2011, a.a.O.) war für die Klagepartei nicht erfolgreich. Bei der letztgenannten Entscheidung war schon problematisch, dass die Fahrzeuge des Kl. grüne Plaketten erhalten hatten und in die Umweltzone einfahren dürfen. Damit war bereits fraglich, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Anordnung der Umweltzone bestand (OVG NW a.a.O.). Mit den vorstehenden Entscheidungen des NdsOVG v. 12.5.2011 (a.a.O.) liegen nunmehr Berufungsurt. vor, die beide die Umweltzone Hannover betreffen. Auch hier wurden die Berufungen der Kläger zurückgewiesen, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der Verkehrsbeschränkungen durch Anordnung einer Umweltzone gerichtet haben.

Anmerkung

Hinweis auf Literatur hierzu: Scheidler, Verkehrsbeschränkungen aus Gründen der Luftreinhaltung, NVwZ 2007, 14...

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