BGB §§ 249 Abs. 2 S. 1, 254; ZPO § 287

a) Der Tatrichter darf bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auf der Grundlage von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, ermitteln.

b) Die Eignung solcher Listen oder Tabellen zur Schadensschätzung bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.

BGH, Urt. v. 18.5.2010 – VI ZR 293/08

Aus den Gründen

[1] “Die Klägerin macht gegen den beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners die Zahlung restlicher Mietwagenkosten im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall geltend, bei dem ihr Fahrzeug beschädigt wurde und repariert werden musste. Die Beklagte hat auf die für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges in Rechnung gestellten 1.770,80 EUR vorgerichtlich lediglich einen Betrag von 753 EUR gezahlt. Über den Differenzbetrag hat die Klägerin Klage erhoben. Das AG hat ihr unter Klageabweisung im Übrigen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen weiteren Betrag in Höhe von 126,80 EUR zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil des AG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.017,80 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision des Beklagten hiergegen führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung.

[2] Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

[3] 1. Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 92, 84, 86 f.; 102, 322, 330; 161, 151, 154; Urt. v. 9.12.2008 VersR 2009, 408, 409 und Urt. v. 9.6.2009 zfs 2010, 22).

[4] 2. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. Senatsurt. v. 11.3.2008, zfs 2008, 441; vom 14.10.2008, zfs 2009, 82). Demgemäß hat der Senat mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den ‘Normaltarifapos grundsätzlich auch auf der Grundlage des’ Schwacke-Mietpreisspiegels’ im maßgeblichen Postleitzahlengebiet (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann (vgl. zfs 2006, 634; zfs 2007, 382). Er hat auch die Schätzung auf der Grundlage des ‘Schwacke-Mietpreisspiegels 2006’ grundsätzlich nicht als rechtsfehlerhaft erachtet (vgl. zfs 2008, 441; zfs 2010, 260), was jedoch nicht bedeutet, dass eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der sog. Fraunhofer-Liste, oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen (vgl. etwa OLG Saarbrücken SVR 2010, 103 mit Anm. Nugel, jurisPR-VerkR 7/2010; LG Bielefeld NJW-Spezial 2009, 762) grundsätzlich rechtsfehlerhaft wäre. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. zfs 2008, 441; zfs 2010, 26).

[5] 3. Die Beklagte hat im Streitfall – wie die Revision mit Recht geltend macht – deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter als Beispiele für die von ihr geltend gemachten Mängel des Mietpreisspiegels 2006 aufgezeigt. Sie hat umfassenden Sachvortrag dazu gehalten und Beweis dafür angetreten, dass die Klägerin ein vergleichbares Fahrzeug für elf Tage inklusive sämtlicher Kilometer und Vollkaskoversicherung zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können. Diese Preise hätten unter dem Betrag gelegen, welche die Beklagte an die Klägerin vorgerichtlich gezahlt habe. Des Weiteren hat sich die Klägerin die Ausführungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen zu Eigen gemacht, der in sieben von neun örtlichen Vermietstationen einen üblichen Grundmietpreis in Höhe von 641,89 EUR für die entsprechende Mietdauer ermittelt hat. Schließlich hat die Beklagte sich mit konkretem Sachvortrag gegen die Vergleichbarkeit des angemieteten Ersatzfahrzeuges, die Erforderlichkeit der in Rechnung g...

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