Eine verdachtsunabhängige Kameraüberwachungsmaßnahme im Straßenverkehr unterliegt einem Beweiserhebungsverbot, weil eine gesetzliche Ermächtigung für den Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fehlt. Nicht jedes Beweiserhebungsverbot führt jedoch zu einem Beweisverwertungsverbot.

Das BVerfG musste sich mit dieser Problematik nicht auseinander setzen, weil die Verkehrsüberwachungsmaßnahmen in beiden Fällen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhten. Die Ausführungen in den Entscheidungen vom 5.7.2010 und vom 12.8.2010 zu der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen beziehen sich auf rechtmäßige Verkehrsüberwachungsmaßnahmen. Abgesehen davon geht es bei dem Beweisverwertungsverbot um die Auslegung und Anwendung von einfachem Recht. Auch diese Frage muss von den Fachgerichten geklärt werden.

Für Kameraüberwachungsmaßnahmen im Straßenverkehr gibt es keine gesetzliche Regelung des Beweisverwertungsverbotes. Daher muss eine Abwägung zwischen dem Interesse des Staates an der Tataufklärung und dem Individualinteresse des Bürgers an der Bewahrung seiner Rechtsgüter stattfinden. Dabei sind der Schweregrad des Verfahrensverstoßes und die Verpflichtung des Staates zur Ahndung von Delikten zu berücksichtigen. Je gravierender die Rechtsverletzung bei der Beweiserhebung ist, desto eher kommt ein Beweisverwertungsverbot in Betracht.

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme ohne Rechtsgrundlage um einen schwerwiegenden Grundrechteingriff handelt. Andererseits gilt für die Verfolgung von Verkehrsverstößen im Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip.[1]

In Rspr. und Literatur wird demzufolge überwiegend ein Beweisverwertungsverbot bejaht, falls die Kameraüberwachungsmaßnahme im Straßenverkehr einem Beweiserhebungsverbot unterliegt.[2]

Demgegenüber lehnen einige Gerichte ein Beweisverwertungsverbot selbst dann ab, wenn der Grundrechtseingriff ohne Rechtsgrundlage erfolgt.[3]

Die weitere Entwicklung der Rspr. bleibt abzuwarten. Durch die aktuellen Entscheidungen des BVerfG sind einige Argumente für die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes entfallen. Letztlich kommt es nur noch darauf an, welche Schlussfolgerungen aus dem Fehlen eines Tatverdachtes bei der Kameraüberwachungsmaßnahme im Straßenverkehr zu ziehen sind.

Ein Beweisverwertungsverbot muss nach überwiegender Rspr. durch einen rechtzeitigen Widerspruch in der Hauptverhandlung vor dem AG geltend gemacht werden. Lediglich das AG Meißen berücksichtigt das Beweisverwertungsverbot von Amts wegen.[4]

[1] AG Arnstadt, Urt. v. 29.10.2009 – 650 Js 200463/09 2 OWi.
[2] AG Grimma, Urt. v. 27.8.2009 – 3 OWi 154 Js 1964/09; AG Grimma, Beschl. v. 31.8.2009, 003 OWi 166 Js 35228/09; AG Meißen, Beschl. v. 5.10.2009, 13 OWi 705 Js 54110/08; AG Lünen, Beschl. v. 14.10.2009 – 17 OWi-225 Js 1519/09-447/09; AG Grimma, Urt. v. 22.10.2009 – 3 OWi 151 Js 33023/09; AG Grimma, Urt. v. 22.10.2009 – 003 OWi 153 Js 34830/09; AG Eilenburg, Urt. v. 28.10.2009 – 5 Owi 256 Js 32476/09; AG Arnstadt, Urt. v. 29.10.2009 – 650 Js 200463/09 2 OWi; AG Meißen, Beschl. v. 12.11.2009 – 13 OWi 703 Js 42058/09; AG Lübben, Beschl. v. 1.12.2009 – 40 OWi 1611 Js 29636/08; AG Lübben, Beschl. v. 8.12.2009 – 40 OWi 1911 Js 19757/09 (204/09); AG Meißen, Urt. v. 16.12.2009 – 13 OWi 705 Js 32778/09; AG Lübben, Beschl. v. 17.12.2009 – 40 OWi 1421 Js 39202/09 (428/09); AG Kamenz, Beschl. v. 18.12.2009 – 3 OWi 210 Js 13895/09 v; AG Meißen, Urt. v. 14.7.2010 – 13 OWi 705 Js 36235/09; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.11.2009 – Ss Bs 186/09; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.2.2010 – IV-3 RBs 8/10 2 Ss-OWi 4/10; Niehaus, Geschwindigkeitsüberwachung durch Videoaufzeichnung, DAR 2009, 632; Elsner, Video- und Bildaufnahmen zur Abstandsmessung im Straßenverkehr – nicht ohne Rechtsgrundlage, DAR 2010, 164; Roggan, Rechtsgrundlage für bildgebende Messverfahren in der Verkehrsüberwachung?, NJW 2010, 1042–1045; Harnisch/Pohlmann, Bild- und Videoaufzeichnungen im Bereich der polizeilichen Verkehrskontrolle, NZV 2010, 380.
[3] AG Schweinfurt, Urt. v. 31.8.2009 – 12 OWi 17 Js 7822/09; AG Saarbrücken, Urt. v. 8.9.2009 – 22 OWi 63 Js 917/09 (568/09); AG Saarbrücken – Urt. v. 15.9.2009 – 22 OWi 68 Js 734/09 (626/09); AG Saarbrücken, Urt. v. 11.11.2009 – 22 OWi 66 Js 1585/09 (901/09); OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2009 – 1 Ss OWi 960/09; OLG Bamberg, Beschl. v. 16.3.2010 – 2 Ss OWi 235/10.
[4] AG Meißen, Urt. v. 16.12.2009 – 13 OWi 705 Js 32778/09; AG Meißen, Urt. v. 14.7.2010 – 13 OWi 705 Js 36235/09.

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