Da der BGH zur Rechtfertigung des Wertminderungsanspruchs auf richtige oder nur vermeintliche Meinungen des Publikums abstellt, wird kritisch eingewandt, dass diese subjektiven Vorurteile bei Käufern zu Unrecht bestehen und deshalb nicht Grundlage des Anspruchs sein können. Der Inhalt des Wertminderungsanspruchs wird deshalb als "psychologisches Phänomen"[15] oder als "Schmerzensgeld für Beulen"[16] charakterisiert. Gegen den Anspruch wird ferner eingewandt, dass wegen der verbesserten Reparaturmöglichkeiten tatsächlich keine Abschläge mehr auf dem Gebrauchtwagenmarkt vorkommen, weshalb die Wertminderung nur nach Nachweis des konkreten Mindererlöses ersetzt werden sollte.[17] Dass nach einer Reparatur in der Regel tatsächlich keine verborgenen Mängel verbleiben, mag insbesondere auch im Hinblick auf die heutigen Reparaturmethoden zutreffen. Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass dies nur im Idealfall so sei und deshalb der entgegenstehende Verdacht immer noch zutreffe.[18] Damit würde die Berechtigung der Wertminderung allein von der Richtigkeit der subjektiven Vorstellung (eines Teils) der Käuferschaft abhängen. Dies widerspricht aber dem Wesen der Wertminderung als ein in der Sache liegender objektiver Schaden. Der Grund für die Zuerkennung einer merkantilen Wertminderung liegt nicht in den (vermeintlich) richtigen oder falschen Vorurteilen von Käufern, sondern vielmehr in dem objektiv auf dem Markt zu erzielenden, geringeren Preis eines unfallgeschädigten Fahrzeugs. So ist in der Rechtsprechung zum Kaufrecht anerkannt, dass es sich bei einem Unfallschaden eines Kraftfahrzeugs um einen objektiven und damit offenbarungspflichtigen Umstand handelt. Die Wertminderung ist damit nicht Ausgleich für den Makel des "Unfallwagens"[19] oder "Odium des Unfallfahrzeugs"[20] als subjektiver Verdacht von Käufern, sondern soll den objektiv geringeren Marktwert ausgleichen, der beim Verkauf eines unfallgeschädigten Fahrzeugs auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erzielen ist. Der Anfall eines merkantilen Minderwertes ist daher zu befürworten, solange die Unfallfreiheit des Fahrzeuges ein Bewertungsfaktor auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist. Dass hier eine Änderung eingetreten ist, ist aus der anwaltlichen Praxis und der umfangreichen Rechtsprechung zur Angabe von Unfallfreiheit in Kaufverträgen nicht ersichtlich. Im Gegenteil, die Unfallfreiheit spielt auch in Zeiten des Internets eine erhebliche Rolle. Bei der Suche in den Internet-Automärkten[21] werden unfallgeschädigte Fahrzeuge nur bei ausdrücklicher Aufforderung angezeigt. Die Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt suchen in der Regel Fahrzeuge ohne Unfallschäden, weshalb Unfallwagen nur mit einem erheblichen Abschlag zu verkaufen sind. Dieser Minderwert unfallgeschädigter Fahrzeuge stellt den in der Sache verbliebene Schaden durch den objektiv geminderten (zukünftigen) Handelswerts des Fahrzeugs dar und ist damit keine Bereicherung des Geschädigten oder ein nur gefühlter Schaden.

[15] Mahlberg VersR 1974, S. 942 (945).
[16] Wussow, Merkantiler Minderwert bei Kraftfahrzeugen, 1962, 32; in neuerer Zeit Gas, VersR 1999, 261 (262).
[17] So Palandt/Heinrichs (o. Fußn. 10), § 251, Rn 15.
[18] v. Gerlach, DAR 2003, 49 (52).
[19] So BGHZ 27, 181 (185) = NJW 1958, 1085; BGHZ 82, 338 (344) = NJW 1982, 827 = zfs 1982, 138; BGHZ 161, 151 (159) = NJW 2005, 277 = zfs 2005, 126 – "Unfallfahrzeug".
[20] OLG Nürnberg, VRS 16, 401 (403).
[21] Beispielsweise http://www.autoscout24.de oder http://www.mobile.de. So auch die Schätzorganisationen Schwacke u. DAT, die ihre Markdotierungen auf unfallfreie Fahrzeuge beziehen, vgl. BGHZ 161, 151 (160) = NJW 2005, 277 = zfs 2005, 126.

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