Zumindest für den Geltungsbereich der EuGVVO ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein weiterer besonderer Gerichtsstand für Klagen auf Grund eines Direktanspruches gegen einen ausländischen Versicherer am Wohnsitz des Geschädigten begründet.[10]

Voraussetzung ist, dass der Haftpflichtversicherer seinen Geschäftssitz in der Europäischen Union hat. Ist der Versicherer in einem Drittland ansässig, so muss er zumindest eine Niederlassung innerhalb der EU haben, die einen Bezug zur konkreten Rechtssache besitzt.

Der Gerichtsstand wird durch eine Rechtsfolgeverweisung in Art. 11 Abs. 2 EuGVVO eröffnet. Diese Bestimmung sieht vor, dass der Geschädigte bei einer Klage, die er auf Grund eines Direktanspruches unmittelbar gegen einen Haftpflichtversicherer erhebt, die besonderen Gerichtsstände wählen kann, die dem Versicherungsnehmer bei Klagen gegen den Versicherer nach Art. 8 bis 10 EuGVVO zur Verfügung stehen. Die Frage ob der Geschädigte durch diese Verweisung berechtigt wird, an seinem eigenen allgemeinen Gerichtsstand zu klagen oder nur den allgemeinen Gerichtsstand des Versicherungsnehmers (seines Unfallgegners) wählen kann, war stark umstritten. Der BGH[11] hatte die Frage dann dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Dabei vertrat der VI. Zivilsenat bereits die Ansicht, dass der Gerichtsstand am Wohnsitz des Geschädigten gegeben sei, sah sich aber gehindert, Art. 11 EuGVVO, der primäres Gemeinschaftsrecht darstellt, abschließend auszulegen.

Mit dem Urteil des EuGH steht nunmehr fest, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls gem. Art. 11, 9 Abs. 1 Nr. 2 EuGVVO einen Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht des Ortes verklagen darf, an dem der Geschädigte seinen Wohnsitz hat. Der in Deutschland lebende Geschädigte kann seinen Direktanspruch also gegen das ausländische Versicherungsunternehmen an dem für ihn (dem Geschädigten) zuständigen Amts- oder Landgericht geltend machen. Dies hat allerdings keine Auswirkungen auf das anwendbare Recht. Das deutsche Gericht muss notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens das maßgebliche ausländische Recht ermitteln.

Noch nicht entschieden ist die Frage, ob der Gerichtsstand auch demjenigen zusteht, der durch Legalzession den Anspruch erwirbt. Dies wird zu verneinen sein. Der besondere Gerichtsstand des Geschädigten soll dessen schwächere Stellung gegenüber dem Haftpflichtversicherer ausgleichen. Dies trifft aber nicht zu, wenn der Staat oder Sozialversicherungsträger übergegangene Ansprüche geltend machen. Ebenso wenig erscheinen Kaskoversicherer gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers schutzbedürftig. Bei ähnlichen Gerichtsständen für privilegierte Kläger hat der EuGH ebenfalls Zendenten von der Privilegierung ausgeschlossen.

Noch ungeklärt ist die Frage, ob der Wohnsitz zum Zeitpunkt des Unfalls oder der Klage entscheidend ist. Findet dazwischen ein Umzug statt, könnte dadurch auch die Gerichtszuständigkeit wechseln. Einerseits wird durch die Privilegierung die beabsichtigte Nähe des Gerichts nur dadurch ereicht, dass auf den Zeitpunkt der Klage abgestellt wird, andererseits wird dadurch aber ein Forum Shopping begünstigt.

Achtung: Da sich Art. 11 EuGVVO nur auf den Direktanspruch bezieht, kann nur das ausländische Versicherungsunternehmen am Wohnsitz des Geschädigten verklagt werden. Die internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen den Geschädigten kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden. Der Fahrer kann an diesem Gericht auch nicht im Wege der Annexzuständigkeit gem. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO mitverklagt werden, weil es sich um einen besonderen Gerichtsstand handelt.

Dringend zu beachten ist auch, dass nur das ausländische Versicherungsunternehmen verklagt werden kann. Der Schadensregulierungsbeauftragte ist nicht passivlegitimiert. Den vollständigen Namen und die Adresse der ausländischen Versicherung kann man in einer gesonderten Anfrage beim Zentralruf erfahren. Zudem haben die meisten Versicherungen eine Website, auf der die Adresse und die verantwortlichen Organe ermittelt werden können.

Der europäische Verordnungsgeber kann nur zur EuGVVO Auslegungshinweise geben. Die Klarstellung in der 5. KH. Richtlinie zur Auslegung von Art. 11 EuGVVO gilt daher nicht direkt für das LuganoÜ. Das LuganoÜ sieht jedoch die gleiche Verweisungskette wie die EuGVVO vor (Art. 10 Abs. 2 LuganoÜ verweisen auf die jeweiligen Art. 7 – 9). Zwar ist der Wortlaut dieser Bestimmungen nicht so eindeutig, wie in der EuGVVO, er steht dieser Auslegung aber auch nicht entgegen. Es erscheint daher sachgerecht, auch insoweit der geschädigtenfreundlichen Auslegung zu folgen.

Voraussetzung für die Verweisung ist jedoch, dass die nach dem deutschen Kollisionsrecht maßgebliche Rechtsordnung eine Direktklage des Geschädigten gegen die Versicherung zulässt.[12] Dies ist im Bereich der EU, des EWR[13] und der Schweiz der Fall. Art. 3 der 4. KH-Richtlinie verpflichtet alle Staaten der EU und des EWR zur Einführung eines Direktanspr...

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