BGB § 307 Abs. 1, Abs. 3; AVB Hausratversicherung 2004 § 28 Nr. 4 Buchst. A; VVG § 28 § 32

Leitsatz

Die sogenannte "erweiterte Schlüsselklausel" in der Hausratversicherung (hier: § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich GWW 2014), wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat, unterfällt als primäre Leistungsbeschreibung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

BGH, Urt. v. 5.7.2023 – IV ZR 118/22

1 Sachverhalt

Die sogenannte "erweiterte Schlüsselklausel" in der Hausratversicherung (hier: § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich GWW 2014), wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat, unterfällt als primäre Leistungsbeschreibung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Der Kl. verlangt Leistungen aus einer beim beklagten Versicherungsverein gehaltenen Hausratversicherung, Die ihr zugrunde liegenden AVO bestimmen:

“§ 27

Welche Gefahren und Schäden sind versichert?

Wir leisten Entschädigung für versicherte Sachen, die durch

2. Einbruchdiebstahl, …

zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen (Sachschutz).

§ 28

Wie sind die versicherten Gefahren definiert, und wie weit geht der Versicherungsschutz?

4. Einbruchdiebstahl, Raub und Vandalismus

a) Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Täter …

– in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat; …

Der Kl. behauptet, ihm sei am 17.8.2017 aus seinem Firmenfahrzeug eine Aktentasche entwendet worden, in der sich unter anderem Rechnungen mit seiner Wohnanschrift und ein Schlüsselbund mit Wohnungs- und Tresorschlüssel befunden hätten. Nur kurze Zeit später hätten unbekannte Täter damit seine Wohnung betreten, den dort befindlichen Tresor geöffnet und diverse Wertgegenstände sowie Bargeld entwendet. Der Gesamtwert der entwendeten Sachen belaufe sich auf 64.413,25 EUR. Mit seiner Klage verlangt der Kl. diesen Betrag abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung.

2 Aus den Gründen:

[8] 1. Das BG hat zu Recht angenommen, dass die sogenannte "erweiterte Schlüsselklausel" in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G (der AVB 2014), die den Versicherungsschutz bei einem Eindringen des Täters in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel davon abhängig macht, dass die Schlüsselvortat "ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers" erfolgt ist, nicht unwirksam ist.

[9] a) Die Frage der Wirksamkeit einer Klausel wie in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G (AVB 2014) wird allerdings in Rspr und Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

[10] Die überwiegende Auffassung hält – wie das BG – Klauseln, nach denen der mittels eines durch Diebstahl erlangten richtigen Schlüssels begangene Diebstahl versichert ist, der Versicherungsschutz aber davon abhängig gemacht wird, dass der Täter den Schlüssel ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers – oder Gewahrsamsinhabers – an sich gebracht hat, für wirksam (OLG Braunschweig r+s 2013, 498; OLG Köln r+s 2013, 175; OLG Koblenz VersR 2002, 1146 unter 2; OLG Frankfurt VersR 1989, 623, 624; … Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. Einl. Rn 117, § 1 AERB 2010 Rn 28; …), wobei teilweise danach unterschieden wird, ob der VN oder ein sonstiger – berechtigter – Gewahrsamsinhaber den Diebstahl des Schlüssels ermöglicht hat (OLG Hamm VersR 2005, 220; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. A. § 3 VHB 2010 Rn 11 f.; Rüffer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 33 Rn 45 f.).

[11] Die Gegenauffassung nimmt demgegenüber an, dass der Teil der Klausel, der den Versicherungsschutz auf ein schuldloses Verhalten des berechtigten Besitzers an der Ermöglichung des Schlüsseldiebstahls beschränkt, wegen der Abweichung vom Verschuldens- und Beweismaßstab des § 81 VVG und einer Ausdehnung der Haftung des VN für das Verhalten Dritter, die nicht zugleich Repräsentanten des VN sind, unwirksam ist (OLG Karlsruhe VersR 1997, 1230 f.; Baumann in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 81 Rn 188, 209; Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Band III Anm. H 78; Klimke in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. A. § 3 VHB 2016 Rn 13 f. …

[12] b) Die erstgenannte Ansicht trifft zu. Die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014 ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie ist gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen.

[13] aa) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf Klauseln, die von Rechtsvorschri...

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