Die Entscheidung des LG Bremen gibt Anlass, sich mit dem anwaltlichen Zurückbehaltungsrecht und dem Streitwert einer Klage des Mandanten auf Herausgabe der dem Anwalt übergebenen Unterlagen näher zu befassen. Der Entscheidung des LG lag (wohl) eine Klage gegen eine Steuerberaterin zugrunde. Die Regelungen über die Handakten, die Herausgabe von Unterlagen und das Zurückbehaltungsrecht der Steuerberater in § 66 StBerG einerseits und der Rechtsanwälte in § 50 BRAO andererseits stimmen in den entscheidenden Punkten aber fast wörtlich überein. Nur hinsichtlich der Aufbewahrungsfrist bestehen zwischen dem Rechtsanwalt (§ 50 Abs. 1 S. 2 BRAO: sechs Jahre und dem Steuerberater (§ 66 Abs. 1 S. 2 StBerG: zehn Jahre) merkbare Unterschiede. Die Entscheidung des LG Bremen, die wohl eine Steuerberaterin betroffen hat, hat wegen der weitgehenden Übereinstimmung der maßgeblichen Gesetzesvorschriften durchaus auch für die Rechtsanwälte Bedeutung, die einer Herausgabeklage ihres Mandanten ausgesetzt sind.

Herausgabepflicht des Rechtsanwalts

Der Anwaltsdienstvertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB. Somit gilt auch die Regelung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte (also der Anwalt) verpflichtet ist, dem Auftraggeber (also dem Mandanten) alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Diese zivilrechtliche Herausgabepflicht, die den Anwalt im Rahmen seiner Berufsausübung trifft, kann i.V.m. § 43 BRAO daneben auch eine Berufspflicht sein, wenn es sich um grobe Verstöße handelt, die die äußere Seite der Anwaltstätigkeit betreffen und mit einer gewissenhaften Berufsausübung und mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht mehr vereinbar sind (BGH AnwBl. 2015, 178 = BRAK-Mitt. 2015, 39). Der BGH hatte in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass auch die Verweigerung der Herausgabe der Handakten ohne rechtfertigenden Grund eine solche Berufspflichtverletzung darstellen kann, weil hierdurch in erheblichem Maße die Achtung und das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität des Berufsstandes gefährdet werde.

Die Voraussetzungen des anwaltlichen Zurückbehaltungsrechts

Die Regelung in § 50 Abs. 3 S. 1 BRAO gewährt dem Anwalt- dasselbe gilt nach § 66 Abs. 3 S. 1 StBerG für den Steuerberater – in bestimmten Fällen ein Zurückbehaltungsrecht, das ein Sonderrecht zugunsten des Rechtsanwalts (Steuerberaters) darstellt und dem allgemeinen Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB als lex specialis vorgeht (s. BT-Drucks 18/9521, S. 67). Hierauf hatte auch der AGH Celle zfs 2020, 343 m. Anm. Hansens hingewiesen. Dieses anwaltliche Zurückbehaltungsrecht erspart dem Anwalt in vielen Fällen, seine berechtigten Ansprüche auf Zahlung seiner Vergütung gegen den Mandanten gerichtlich geltend machen zu müssen. Die Regelung eines solchen Zurückbehaltungsrechts in der BRAO macht nur dann Sinn, wenn man gleichzeitig für den Normalfall von einer berufsrechtlichen Herausgabepflicht des Anwalts ausgeht (so BGH AnwBl. 2015, 178 = BRAK-Mitt. 2015, 39). Der BGH, a.a.O., hat darauf hingewiesen, dass das Zurückbehaltungsrecht als Ausnahme von einer vorausgesetzten berufsrechtlichen Verpflichtung zur Herausgabe der Handakten ausgestaltet worden ist. Dies hat der BGH auch aus der Begriffsbestimmung der Handakten in § 50 Abs. 4 BRAO a.F. (jetzt § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO n.F.) gefolgert, weil diese Regelung ersichtlich den Zweck hat, den Umfang der berufsrechtlichen Herausgabepflicht zu konkretisieren. Für den Steuerberater gilt dann die vergleichbare Regelung in § 66 Abs. 2 S.1 StBerG.

Der Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts

Dokumente und Korrespondenz

Gegenstand des anwaltlichen Zurückbehaltungsrechts sind die Dokumente, deren Herausgabe der Rechtsanwalt dem Mandanten verweigern kann. Was unter diesen Begriff fällt, regelt § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO. Hierzu gehören nur die Dokumente, die der Anwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat. Für den Steuerberater gilt die fast wörtlich gleichlautende Bestimmung des § 66 Abs. 2 S. 1 StBerG. Nicht hierzu gehören hingegen gem. § 50 Abs. 2 S. 4 BRAO die Korrespondenz zwischen Anwalt und seinem Auftraggeber und diejenigen Dokumente, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat, was eine entsprechende Dokumentation des Rechtsanwalts hinsichtlich der überlassenen Schriftstücke voraussetzt (Offermann-Burckart, in: Henssler/Prütting, a.a.O.,5. Aufl. 2019., § 50 BRAO Rn 69). Für den Steuerberater greift die inhaltsgleiche, wenn auch vom Gesetzestext etwas anders aufgebaute Regelung des § 66 Abs. 2 S. 4 StBerG. Die in den früheren Fassungen der beiden vorgenannten Gesetze verwandten Begriffe "Schriftstücke" und "Briefwechsel" sind wegen der weitverbreiteten elektronischen Kommunikation zwischen Rechtsanwälten/Steuerberatern und ihren Mandanten durch die Worte "Dokumente" und "Korrespondenz" ersetzt worden.

Vollstreckungstitel

Eine ausdrückliche Regelung, ob auch ein von dem Rechtsanw...

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