Bei soviel Dieselskandal und all diesen anderen Herstellerabsprachen ist es in der öffentlichen Diskussion fast ein bisschen untergegangen, dass der Bundestag am 30.3.2017 ein Gesetz zum automatisierten Fahren verabschiedet hat, dessen Inhalte nicht ganz unproblematisch sind.

Grundsätzlich wird hierin zunächst festgelegt, dass der Betrieb von Kraftfahrzeugen mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen zulässig ist, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird. Kritisch könnte man beurteilen, dass der Fahrer hierbei weiterhin als "Fahrzeugführer" angesehen werden soll, mithin weitgehend in der Verantwortung bleibt. Zwar darf er sich zukünftig im automatisierten Modus vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden und wie Herr Dobrindt es formulierte "im Netz surfen, Filme streamen und E-Mails checken". Er muss allerdings jederzeit in der Lage sein, nach Aufforderung durch das System die Steuerung des Fahrzeugs wieder zu übernehmen. Das Gesetz räumt ihm hierfür eine "ausreichende Zeitreserve" ein, ohne diese zu konkretisieren. Versuche in Fahrsimulatoren haben ergeben, dass ein mit anderen Dingen beschäftigter Fahrer bis zu 26 Sekunden benötigt um die Fahrsituation wieder voll zu erfassen. Soll ein derartiger Zeitraum noch von dem Begriff der ausreichenden Zeitreserve erfasst sein?

Hinzu kommt, dass den Fahrer die Verpflichtung zur unverzüglichen Übernahme der Fahrzeugsteuerung trifft, wenn er erkennt oder "aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss", dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung nicht mehr vorliegen.

Es bleibt vollkommen unklar, was hier vom Fahrer verlangt werden soll. Muss er neben dem Film streamen und Mails checken die ganze Zeit das System überwachen? Ist hier also der Fahrer das Versuchskaninchen der Fahrzeughersteller für noch unausgereifte Systeme?

Zu Recht werden daher vage Formulierungen wie "ausreichende Zeitreserve", "unverzüglich" und "aufgrund offensichtlicher Umstände" vielfach kritisch gesehen, da sie wenig Rechtssicherheit und viel Spielraum für Gerichte bieten.

Um einen Einblick zu erhalten, ob der Fahrer für Fahrfehler verantwortlich gemacht werden kann, soll regelmäßig aufgezeichnet werden, ob das Fahrzeug durch den Fahrzeugführer oder mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen gesteuert wird. Die gespeicherten Daten dürfen den für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden übermittelt werden.

Neben der Effektivierung der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten ist das der harmlos formulierte Weg zum gläsernen Fahrer. Da nicht nur ermittelt werden muss, ob der Mensch oder die Fahrfunktion gefahren ist, sondern auch, ob der Fahrzeugführer "aufgrund offensichtlicher Umstände" erkennen musste, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der Fahrfunktion noch oder eben nicht mehr vorlagen, ist die Aufzeichnung einer Reihe von Daten notwendig.

So wird es erforderlich sein, dass einer Blackbox vergleichbar sämtliche Daten zum Fahrverhalten, wie Geschwindigkeit, Bremseinsatz, Beschleunigung, Sitz- und Spiegeleinstellungen sowie Sensordaten gespeichert werden. Das Ganze vermutlich noch ergänzt durch Filmmaterial der zukünftig womöglich serienmäßig verbauten Front- und Heckkamera über die konkrete Verkehrssituation.

Die ursprünglich vorgesehene Speicherdauer von drei Jahren wurde nach Kritik im Gesetzgebungsverfahren auf sechs Monate verkürzt. Immer noch lange genug – auch für die Ahndung von ohnehin meist nach drei Monaten verjährenden Ordnungswidrigkeiten.

So sehr die regelhaft sichere Unfallaufklärung inkl. Schuldfrage mit anschließendem Bußgeldverfahren vielen begrüßenswert erscheinen mag, so sehr mag den einen oder anderen ein mulmiges Gefühl ob dieser schönen neuen Welt beschleichen.

Autor: Dr. Daniela Mielchen

RAin Dr. Daniela Mielchen, FAin für Verkehrsrecht, Hamburg

zfs 10/2017, S. 541

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