BGB § 273 Abs. 2 § 859 Abs. 1 § 861

Leitsatz

1. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Herausgabe eines im Wege der Selbsthilfe (§ 858 BGB) abgeschleppten Fahrzeugs ist im Hinblick auf § 273 Abs. 2 BGB nicht erforderlich.

2. Die Frage der Angemessenheit der Höhe des Schadensersatzanspruchs des beeinträchtigten Grundstücksbesitzers aufgrund der verbotenen Eigenmacht hat grds. keine Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Selbsthilfemaßnahme als solche.

LG München I, Beschl. v. 23.2.2016 – 31 T 2775/16

Sachverhalt

Der ASt. verfolgt im Wege der einstweiligen Verfügung die Herausgabe seines auf den Betriebshof der AG verbrachten Kfz, hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung von 238 EUR. Das Fahrzeug befand sich ohne Kennzeichen und ohne Genehmigung des Pächters auf dessen Tankstellengelände. Die AG entfernte im Auftrag des Pächters das Fahrzeug und verbrachte es auf ihren Betriebshof. Die Forderung des Tankstellenpächters hinsichtlich der Abschleppkosten wurde an die AG abgetreten. Als der ASt. sein Fahrzeug bei der AG abholen wollte, teilte ihm diese mit, dass die Herausgabe des Fahrzeugs nur gegen Zahlung eines Betrages von 422 EUR erfolgen werde. Das AG hat den Antrag des ASt. auf Herausgabe des Fahrzeugs im Wege der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des ASt. hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … Aufgrund der Beschwerdebegründung … ist keine andere Beurteilung veranlasst. Die AG hat nicht ihrerseits ebenfalls eine verbotene Eigenmacht begangen, so dass ein Anspruch des ASt. auf Herausgabe gem. § 861 BGB gegeben sein könnte."

Das Entfernen des Fahrzeugs als solches verstößt nicht gegen das Übermaßverbot. Denn ist es weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die AG in anderer, schonenderer Weise von ihrem Selbsthilferecht hätte Gebrauch machen können (vgl. BGHZ 181, 233 = NJW 2009, 2530). Da an dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine Kennzeichen angebracht waren, konnte dieses auch nicht irgendwo auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt werden, zumal dann die Erfüllung der Obhutspflicht seitens der AG problematisch gewesen wäre. Die Verbringung des Fahrzeugs auf ihrem Betriebshof erscheint von daher als die einzige in Betracht kommende bzw. angemessene Maßnahme. Dabei befindet sich der Betriebshof in derselben Stadt wie der Wohnsitz des ASt., nämlich in München, wobei auch die Gemeinde Eching noch im näheren Umkreis von München liegt. Eine Abholung des Fahrzeugs seitens des ASt. ist somit noch mit zumutbarem Aufwand möglich und wurde ja auch von ihm bereits versucht. Die streitgegenständliche Vorgehensweise kann daher letztlich nicht als treuwidrig oder unverhältnismäßig angesehen werden. Dem ASt. sind durch die streitgegenständliche Maßnahme auch keine sonstigen “unverhältnismäßig großen Nachteile‘ (vgl. BGHZ 181, 233 = NJW 2009, 2530) zugefügt worden.

Der seitens des ASt. angeführte Beispielsfall einer Verbringung des Fahrzeugs nach Hamburg ist damit ersichtlich nicht vergleichbar und muss hier aber auch nicht entschieden werden. Es geht nicht um die Entscheidung einer abstrakten Rechtsfrage, sondern um den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände.

Dass es dem ASt. gewisse Mühe bedeutet, sein Fahrzeug wieder zu erlangen, liegt in der Natur der Sache und hat auch letztlich er selbst zu vertreten. Wie bereits das AG festgestellt hat, hat diese Frage bzw. diejenige, ob ein anderer Abschleppdienst, etwa die vom ASt. genannte Firma Abschleppdienst … hätte beauftragt werden müssen, letztlich nur Bedeutung für die Höhe der Kosten, welche der ASt. der AG zu erstatten hat, worüber hier jedoch nicht zu befinden ist. Die Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Abschlepp-Maßnahme an sich – was Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ist – wird dadurch indes nicht berührt. Es wäre auch systemwidrig, die Frage der Rechtmäßigkeit einer tatsächlichen Maßnahme – Ausübung des Selbsthilferechts mittels Gewalt – mit der Frage der Höhe der aufgrund der Ausübung des Selbsthilferechts entstehenden Schadensersatzansprüche des Berechtigten zu verknüpfen. Das würde letztlich dieses Recht auch in seiner Wirksamkeit einschränken, was eben als Voraussetzung im Wesentlichen nur das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht hat (vgl. auch § 863 BGB).

Sofern man dies anders sehen sollte, ist jedenfalls nicht glaubhaft gemacht (vgl. §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO), dass der Abschleppdienst … zum konkreten Zeitpunkt auch tätig geworden wäre. Der Ausdruck der Internetseite dieses Abschleppdienstes, welche nur eine allgemeine Werbeanzeige darstellt, ist hierfür nicht ausreichend (§ 294 ZPO).

Sofern in der Beschwerdebegründung auf Palandt, § 859 Rn 1 verwiesen wird, findet sich dort die Entscheidung des OLG Schleswig, NStZ 1987, 75. Darin wird u.a. festgestellt, dass die angewendete Gewalt nur so weit gehen darf, wie sie zur Abwehr der verbotenen Eigenmacht erforderlich ist. Die “angewendete Gewalt‘ bedeutet vorliegend den Abschleppvorgang an sich, nicht jedoch die Verursachung von etwaigen Schadensersatzanspr...

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